Incirlik-Streit Gabriel in der Türkei: Letzter Schlichtungsversuch steht an
Berlin (dpa) - Kurz vor seinem mit Spannung erwarteten Türkei-Besuch setzt Außenminister Sigmar Gabriel auf eine Entspannung des schwer belasteten Verhältnisses beider Länder.
Der SPD-Politiker pochte in der „Bild am Sonntag“ zugleich aber auch auf ein Besuchsrecht von Bundestagsabgeordneten bei den deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik im Südosten des Landes.
„Die Türkei muss ein Besuchsrecht zweifelsfrei zusichern“, sagte Gabriel der Zeitung. „Wenn die Türkei das in Incirlik aus Gründen der Innenpolitik nicht kann oder will, sollten wir uns ohne Streit und partnerschaftlich auf eine Beendigung der Truppenstationierung verständigen.“ Unabhängig davon, ob die Bundeswehr in Incirlik bleibe oder nicht, müssten neue Anknüpfungspunkte gesucht werden, betonte der Minister. „Die Megafon-Politik muss ein Ende finden.“
Die türkische Regierung hat Abgeordneten Besuche dort untersagt und dies damit begründet, dass türkischen Soldaten in Deutschland Asyl gewährt wurde. Ihnen wirft Ankara eine Beteiligung am Putschversuch von 2016 vor. Gabriel will am Montag in Ankara seinen Kollegen Mevlüt Cavusoglu treffen. Als Alternativstandort für die im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingesetzten Soldaten und Flugzeuge hat die Bundesregierung Jordanien ins Auge gefasst.
Zur Kritik der Türkei, in Deutschland würden Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geschützt, sagte Gabriel: „Die PKK ist auch bei uns eine verbotene Organisation, weil sie in Waffen- und Drogenhandel und Schutzgelderpressung tief verwickelt war. Es ist also durchaus auch in unserem Interesse, deren Finanzströme trocken zu legen und ihr auf deutschem Boden keine Spielräume zu lassen. Das ist ein Punkt, den die Türkei zurecht anspricht.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann rief vor der Gabriel-Reise zu Besonnenheit im Streit über die Luftwaffenbasis auf. „Ich warne davor, die Bundeswehr überstürzt aus Incirlik abzuziehen“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Türkei sei nach wie vor Nato-Partner und wichtig für die Sicherheit Europas. In den Beziehungen zu Ankara gehe es um „mehr als die Frage, wo gerade welche Flugzeuge stationiert sind“. Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, hingegen mahnte in den Zeitungen ein entschiedenes Vorgehen in dem Streit an.
Neben dem Incirlik-Konflikt wird das Verhältnis beider Länder auch durch die Festnahmen deutscher Journalisten belastet. Der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel sitzt seit Februar im Gefängnis, die Übersetzerin Mesale Tolu Corlu seit einem Monat. Beiden wird Terrorpropaganda vorgeworfen.