Gabriel rechnet mit Vorgängern ab
Der Vorsitzende der SPD wird mit einem schwachen Ergebnis wiedergewählt. Er will seine Partei in die große Koalition führen.
Leipzig. Gerhard Schröder und Franz Müntefering haben es wohl gerochen und sind gar nicht erst nach Leipzig gereist. Sigmar Gabriel gibt vor den 600 SPD-Parteitagsdelegierten eine außergewöhnlich schonungslose Analyse der Wahlniederlage ab.
Zwei der Gründe, die der Parteivorsitzende nennt: Die „Basta-Politik“ des Ex-Kanzlers. Und die Rente mit 67, die Müntefering durchgesetzt hat. In einer neuen großen Koalition dürfe man „nicht wieder gegen das Selbstverständnis der SPD verstoßen“.
Harte Töne gegen die Vorgänger. Der Beifall für die 90 Minuten lange Rede ist mau. Gabriel beschreibt die Kluft zwischen den sozialdemokratischen Mandatsträgern und ihren Wählern, die „kulturelle Entfremdung“. Längst werde man als Teil des Establishments wahrgenommen. Aber man müsse wieder die Brücke zum „Kern der Arbeitsgesellschaft“ schlagen.
Zwar sagt er zu Beginn, dass er selbstverständlich die „Gesamtverantwortung“ für die Wahlniederlage trage. Aber was dann folgt, lässt sich mit „Alle schuld, außer Sigi“ überschreiben. Selbst Peer Steinbrück wird nicht verschont. Viele meinten ja, Regierungsprogramm und Kandidat hätten nicht zusammengepasst, sagt Gabriel.
Das greife zu kurz. Allerdings wolle er auch nicht bestreiten, „dass etwas dran ist“. Das ist nicht freundlich gegenüber dem Kanzlerkandidaten, den der Parteitag kurz vorher ohnehin mit nicht viel mehr als Pflichtbeifall aufs Altenteil verabschiedet hat. Steinbrück ist dabei deutlich gerührter als die Delegierten. Und er sagt: „Für unsere gemeinsamen Ziele gilt: Die Pferde meiner Kavallerie bleiben gesattelt.“
Gabriel will die SPD in die große Koalition führen, das macht er deutlich. Aber anders als es Schröder und Müntefering 2005 taten. Viele Mitglieder und Wähler hätten wegen der Agenda 2010 und der anschließenden Zusammenarbeit mit der CDU den Eindruck gehabt, die SPD verrate ihre Prinzipien, sagt der Vorsitzende. Und jetzt gebe es diese Sorge wieder.
Gabriel will sie zum einen durch Verhandlungserfolge beseitigen und die SPD dabei nicht unter Druck setzen lassen. „Die SPD zusammenhalten: Das ist wichtiger als alles Regieren“, sagt er. Dass früher Entscheidungen von oben nach unten durchgepaukt worden seien, sei „vielleicht die schwerste Last unserer Partei“, sagt er. Nicht allen gefällt das. Bei seiner Wiederwahl bekommt Gabriel 83,6 Prozent der Stimmen. Acht Prozent weniger als vor zwei Jahren.