Gabriel als SPD-Chef bestätigt
Leipzig (dpa) - Mitten in den Koalitionsverhandlungen mit der Union hat SPD-Chef Sigmar Gabriel bei seiner Wiederwahl auf dem Leipziger Parteitag einen Dämpfer erhalten. Mit 83,6 Prozent kam der 54-jährige Niedersachse am Donnerstag auf sein bisher schlechtestes Ergebnis.
2011 hatten noch 91,6 Prozent für ihn gestimmt, 2009 sogar 94,2 Prozent. In einer nachdenklichen Rede hatte Gabriel zuvor die Verantwortung für die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl übernommen und für die umstrittene große Koalition geworben. Sein Wahlergebnis wertete Gabriel als „außerordentlich ehrlich“.
Die Sozialdemokraten bereiteten sich in Leipzig auch schon auf die Zeit nach einer großen Koalition vor. Bei nur einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen beschlossen die Delegierten einen Leitantrag, der ab 2017 erstmals ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene als Option vorsieht. „Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus“, heißt es in dem Antrag. Die Bedingungen sind eine stabile Mehrheit, ein finanzierbarer Koalitionsvertrag und eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik.
Die SPD hatte bei der Bundestagswahl mit 25,7 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte erzielt. Seit drei Wochen verhandelt sie mit der Union über eine Regierungsbildung. In den meisten strittigen Punkten gibt es aber noch keine Einigung. Über einen Koalitionsvertrag will die SPD ihre 473 000 Mitglieder abstimmen lassen.
Gabriel wurde für weitere zwei Jahre als Vorsitzender gewählt. In seiner Rede machte er klar, dass sich die SPD nicht um jeden Preis auf eine große Koalition einlassen werde. „Mit uns wird es keine politische Liebesheirat und keine Zwangspartnerschaft geben“, sagte er. Vielmehr strebe die SPD eine „befristete Koalition der nüchternen Vernunft“ an.
Der SPD-Chef stellte der Union erneut mehrere Bedingungen für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, unter anderem die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft nannte er als Ziel für die letzten beiden Verhandlungswochen. „Wir werden nur gute und keine faulen Kompromisse akzeptieren“, betonte der Parteichef. Und mit Blick auf die große Koalition zwischen 2005 und 2009 sagte er: „Wir werden kein zweites Mal eine Politik betreiben, bei der die SPD wieder gegen ihr Selbstverständnis verstößt.“
Den erfolglosen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück verabschiedete der Parteitag mit stehenden Ovationen. In seiner Rede sagte der frühere Finanzminister: „Die SPD wird sich, so lange ich lebe, auf meine Solidarität verlassen können. (...) Die Pferde meiner Kavallerie bleiben gesattelt.“
Wie Gabriel warben auch Steinbrück, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und andere Spitzenpolitiker der SPD für eine große Koalition. Es gehe den Sozialdemokraten darum, Verbesserungen für die Menschen zu erreichen, sagte Kraft. „Die Inhalte sind wichtig. Messt uns am Ende an den Inhalten.“
In der Aussprache gab es nur wenig Kritik am Agieren der Parteiführung nach der Wahl. Juso-Chef Sascha Vogt verwies auf seine von Anfang an bestehenden Bedenken. „Wenn ich mir die Stimmung hier anschaue, muss ich sagen: An diesem Bauchgefühl hat sich nicht viel geändert.“ Es sei nicht Aufgabe der SPD, Mehrheitsbeschaffer für Kanzlerin Angela Merkel zu sein. „Lasst uns am Ende ehrlich entscheiden, reicht das aus oder nicht.“
Hilde Mattheis vom linken Flügel warnte ihre Partei davor, sich in einer Koalition mit der Union einzurichten. Spätestens 2017 zur nächsten Bundestagswahl gehe es um den „echten Politikwechsel, vielleicht auch schon auf der Strecke dahin“, sagte sie.