Wulff vor Gericht: Angriff als Verteidigung

Christian Wulff beklagt Verletzung der Privatsphäre durch Ermittlungen.

Hannover. 636 Tage hat Christian Wulff geschwiegen. Kein Wort zu den Korruptionsvorwürfen. Doch jetzt spricht der ehemalige Bundespräsident — gleich zu Beginn seines mit Spannung erwarteten Prozesses am Landgericht Hannover. „Ich sehne mich nach Ruhe“, sagt Wulff.

Der 54-Jährige wirkt erstaunlich sicher und konzentriert, trotz der für ihn ungewohnten Situation im Gerichtssaal 127. Am Revers seines Anzugs trägt er einen besonderen Anstecker — die „Sonderstufe des Großkreuzes“, die höchste Stufe des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Im Saal ist es während Wulffs 45-minütigen Monologs mucksmäuschenstill. In seiner von einem Stapel Karteikarten abgelesenen Rede lässt Wulff keinen Punkt aus. „David Groenewold ist mein Freund“, betont er mehrfach, und er sei froh, dass die Freundschaft bis heute bestehe.

Deshalb sei der Vorwurf, er habe 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident bei einem Oktoberfestwochenende in München von dem mitangeklagten Filmfinancier einen persönlichen Vorteil angenommen, für den er sich später revanchierte, „empörend und absurd“.

Das Gegenteil sei der Fall. Im Laufe seines politischen Lebens habe er Berufliches und Privates stets streng getrennt. Von den von Groenewold übernommenen Kosten für Hotel, Babysitterin und Bewirtung in München habe er nichts gewusst. Wohl aber, dass Groenewold Freunden gegenüber ein überaus großzügiges Naturell gehabt habe.

Wulff will an diesem Tag aber mehr als bloß seine Unschuld beteuern. Die wohl überlegten Worte wirken wie ein Rundumschlag. Die mehr als 14 Monate andauernden Ermittlungen, die jegliche Intimität, seine Privatsphäre und die seiner Familie ausgehebelt hätten, seien eine schwere Belastung gewesen.

Durch die Razzia in Großburgwedel sei sein inzwischen verkauftes Haus entweiht worden, sagt er. Bei diesem Punkt blickt er Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer an. Es sei empörend, dass immer wieder vertrauliche Ermittlungsdetails sinnverzerrt in den Medien aufgetaucht seien.

Auch auf die Frage, warum er das Verfahren nicht durch Geldzahlung umging, gibt Wulff eine Antwort: Es dürfe nicht sein, dass jemand, der sich nichts zuschulden kommen lassen habe, eine Geldsumme zahle, nur um seine Ruhe zu haben.

Nach Abschluss der Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Wulff angeboten, das Verfahren gegen 20 000 Euro Auflage einzustellen. Hinzu komme, dass er ohne einen echten Freispruch ohnehin nie wieder zur Ruhe kommen könne, betont Wulff.

Am nächsten Donnerstag wird das Verfahren mit der Vernehmung von vier Zeugen fortgesetzt — Mitarbeiter des Hotels „Bayerischer Hof“ in München, wo die Wulffs während ihres Oktoberfestbesuches übernachteten.