Für Ende der großen Koalition Gabriel: SPD kann Union noch überholen
Berlin/Hamburg (dpa) - Außenminister Sigmar Gabriel glaubt trotz des großen Umfrage-Rückstands zur Union, dass die SPD bei der Bundestagswahl noch stärkste Kraft werden kann.
„Die letzten Wochen und Monate haben doch gerade gezeigt, dass auch die SPD die Chance hat, vor CDU und CSU zu liegen“, sagte der frühere SPD-Chef der Deutschen Presse-Agentur und dem „Spiegel“.
Gabriel räumte damit Irritationen aus, für die eine Aussage von ihm bei einer „Spiegel“-Veranstaltung am Mittwochabend gesorgt hatte. „Eine große Koalition ist deshalb nicht sinnvoll, weil damit die SPD nicht den Kanzler stellen kann“, sagte er.
Wenn die SPD stärkste Kraft im Bundestag wird, könnte sie theoretisch aber auch in einer großen Koalition den Kanzler stellen. Deswegen konnte die Äußerung Gabriels so verstanden werden, dass er nicht mehr mit Platz 1 der SPD bei der Wahl rechne.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sieht sich dennoch in engem Schulterschluss mit Gabriel. „Sigmar Gabriel steht in dieser Frage absolut an meiner Seite. Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass ich Bundeskanzler werde“, sagte Schulz in Kiel nach einer Wahlkampfrede vor Journalisten.
Die SPD und Schulz liegen in den Umfragen 13 bis 18 Prozentpunkte hinter der Union. Die Sozialdemokraten kommen auf 22 und 24 Prozent, die Union auf 37 bis 40 Prozent. Am 24. September wird gewählt.
Bisher hatte Gabriel seine Ablehnung einer neuen großen Koalition mit inhaltlichen Differenzen begründet. Gabriel ist seit 2013 Vizekanzler in der schwarz-roten Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Der Außenminister erhofft sich vom Fernsehduell am kommenden Sonntag einen Aufwärtstrend für die SPD in den Umfragen. „20 Millionen Zuschauer sind eine große Chance für die SPD, denn dort kann Frau Merkel nicht mehr ausweichen“, sagte er.
Schulz will bei dem Duell mit Inhalten überzeugen. „Ich habe nicht die Absicht, Frau Merkel persönlich zu attackieren“, sagte der SPD-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. Er kritisierte aber, dass die CDU nur ein Konzept habe: „Das heißt Angela Merkel.“
Eine Neuauflage der großen Koalition hält Schulz für unwahrscheinlich. „Ich habe den Eindruck, die Union will diese große Koalition nicht fortsetzen. Ich glaube, wir auch nicht.“ Sein Ziel sei es, die jetzt amtierende Bundesregierung abzulösen und Kanzler zu werden.
Nach den derzeitigen Umfragen gibt es aber keine Koalitionsoption, bei der die SPD den Kanzler stellen könnte. Weder ein Bündnis mit Linken und Grünen noch eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen kommen auf eine Mehrheit.
Der Linken sprach Gabriel in dem „Spiegel“-Interview die Regierungsfähigkeit ab, warf ihr innere Zerrissenheit vor und Teilen der Partei AfD-Nähe, Linkspopulismus und Antisemitismus. „Mit einer Partei, die in Wahrheit zwei Parteien sind, und die in sich Positionen zulässt, die auch die AfD einnimmt, zu Europa zum Beispiel und zum Euro, da wird das nix“, sagte er zu einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis.
Er glaube schon nicht daran, dass die Linke in einer geheimen Abstimmung im Bundestag überhaupt für einen SPD-Kanzler stimmen würde, sagte Gabriel. „Weil es so viele SPD-Hasser gibt da drin, dass ich nicht glaube, dass wir uns auf so ein Abenteuer einlassen können.“
Linken-Chef Bernd Riexinger attestierte Gabriel Resignation. „Wie sollen eigentlich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten vor Ort die Wähler mobilisieren, wenn ihre Parteispitze die Wahl schon drei Wochen vor dem Wahltag verloren gibt“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. „Im Gegensatz zur SPD haben wir den Wahlkampf nicht aufgegeben“, sagte er.