Gabriel und Steinmeier warnen vor Zerfall der EU

Berlin (dpa) - SPD-Chef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) haben vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt. In einem Brief an sozialdemokratische EU-Staats- und Regierungschefs mahnen sie in der Flüchtlingskrise eine europäische Lösung an und lehnen nationale Alleingänge ab.

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„Dafür müssen wir zeigen, dass Europa handlungsfähig und zu kraftvollen gemeinsamen Lösungen fähig ist“, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur am Samstag vorlag. „Europa steht inmitten der wohl größten Bewährungsprobe seiner Geschichte.“ Seit Monaten streiten die EU-Staaten über eine faire Verteilung von Flüchtlingen und zusätzliche Mittel zum Schutz der Außengrenzen.

Vor dem nächsten EU-Gipfel in Brüssel zum Ende der kommenden Woche werben Gabriel und Steinmeier zugleich für einen Kompromiss mit Großbritannien, „der Europa festigt“. Die angestrebten Reformen dürften nicht zu einer „inneren Desintegration oder Blockade der Europäischen Union“ führen. „Daher ist es für uns eine unverzichtbare Bedingung der Einigung, dass kein Veto gegen weitere Integrationsschritte eingeführt wird.“ Eine zeitlich befristete Einschränkung von Sozialleistungen sei legitim, um einer gezielten Wanderung in die Sozialsysteme zu begegnen. „Dabei darf es jedoch keine dauerhafte Diskriminierung von Unionsbürgern geben, die in einem anderen EU-Staat einer Erwerbstätigkeit nachgehen“, heißt es.

Bei dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel geht es in Brüssel um Pläne von Großbritanniens Premier David Cameron für eine Reform der EU. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte ein Reformpaket vorgelegt, um Cameron bei dem angekündigten Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU zu unterstützen. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen dem Reformpaket zustimmen.

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise erteilen der Vize-Kanzler und Außenminister Forderungen nach einer vollständigen Abschottung Europas eine Absage. Ziel müsse es sein, die Kontrolle über die Flüchtlingsbewegung zu verbessern und die Flüchtlingszahl zu senken. Es gebe keine einfachen Antworten. „Das heißt auch: Ein formeller Ausschluss eines Mitgliedstaates aus dem Schengenraum oder seine de facto-Ausgrenzung sind Scheinlösungen, die die europäische Debatte vergiften.“ An den Binnengrenzen Europas sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um eine „bessere Kontrolle und ein effektiveres Management der Flüchtlingsströme“ zu ermöglichen.

Deutschland ist Gabriel und Steinmeier zufolge bereit, die Beiträge zur Unterstützung der Partner mit EU-Außengrenze im Mittelmeerraum substanziell zu verstärken. „Gleichzeitig erwarten wir von Griechenland, dass es zusätzlich angebotene Hilfe vollumfänglich und unbürokratisch annimmt.“ Alle geplanten Registrierzentren für Flüchtlinge (Hotspots) müssten bis zum EU-Gipfel einsatzfähig sein. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive müsse Griechenland umgehend in die Türkei zurückführen.

Zudem müsse die Zahl der irregulären Grenzübertritte aus der Türkei „deutlich und umgehend“ reduziert werden. „Hierzu erwarten wir, dass die Türkei umfassend gegen das teils offen agierende Schleuserwesen am türkischen Festland vorgeht“, schreiben Gabriel und Steinmeier. Über Flüchtlingskontingente sollte die Türkei substanziell entlastet werden, „notfalls im Rahmen einer Koalition der Willigen“.