Flüchtlingskrise: Maas warnt vor „verbaler Radikalisierung“
Berlin (dpa) - Justizminister Heiko Maas fordert in der Debatte um die Flüchtlingspolitik eine verbale Abrüstung. „Über den richtigen Weg müssen wir diskutieren, Sorgen und Ängste müssen wir ernst nehmen“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
„Aber es bringt niemandem etwas, wenn wir uns gegenseitig kriminalisieren oder den Untergang des Abendlandes an die Wand malen.“ Eine „verbale Radikalisierung“ nütze am Ende nur den Rechten.
Der Appell dürfte auch an die Adresse von CSU-Chef Horst Seehofer gerichtet sein. Der bayerische Ministerpräsident hatte für Empörung gesorgt, weil er die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einer „Herrschaft des Unrechts“ verglichen hatte. Maas nahm Merkel in Schutz. „Die Unterstellung, die Aufnahme vieler Flüchtlinge im September vergangenen Jahres sei rechtswidrig gewesen, ist falsch.“
Im „Spiegel“ stellte sich Seehofer zwar hinter Merkel, doch die Entrüstung über ihn hielt an. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht den CSU-Chef in einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) als einen „Kronzeugen“ der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter verglich Seehofer in der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag) mit dem umstrittenen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump. SPD-Linke fordern nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland die Kanzlerin auf, die CSU vor die Entscheidung zu stellen, „ob sie noch Teil dieser Bundesregierung sein will“.
Vergangenes Jahr waren in Deutschland mehr als eine Million Asylbewerber registriert worden - so viele wie nie zuvor in einem Jahr. Im Januar erfassten die Behörden mehr als 90 000 Asylsuchende.
Die CDU will nach Informationen von „Bild am Sonntag“ mit einem Maßnahmenpaket die Integration von Flüchtlingen vorantreiben. Vorgeschlagen würden Ausnahmen beim Mindestlohn, eine verlängerte Schulpflicht für Flüchtlinge sowie höhere Hürden für unbefristetes Aufenthaltsrecht. Dies gehe aus einem Entwurf hervor, der am Montag vom CDU-Bundesvorstand beschlossen werden solle.
Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, spricht sich für einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik aus. „Es sind nicht die Zeiten für Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik“, sagte Palmer dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“. „Wir müssen die unkontrollierte Einwanderung beenden. Das bedeutet nicht, dass wir niemanden mehr reinlassen, aber wir entscheiden, wer reinkommt.“ Die EU-Außengrenzen sollten mit einem Zaun und bewaffneten Grenzern gesichert werden. Palmer forderte die Grünen auf, die von der Union geforderte Erweiterung der Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer um Algerien, Tunesien und Marokko nicht im Bundesrat zu blockieren.
Bremens Oberbürgermeister Carsten Sieling (SPD) pocht auf mehr Unterstützung durch den Bund. Länder und Kommunen könnten die Kosten für Flüchtlingsunterbringung und -integration nicht allein stemmen, sagte er der dpa. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erwartet nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstag) Kosten für die Länder in Höhe von 20 bis 25 Milliarden Euro in diesem Jahr.