Gauck macht Tempo bei Personal-Entscheidungen
Berlin (dpa) - Am Tag nach der Wahl hat Bundespräsident Joachim Gauck die Amtsgeschäfte übernommen und erste wichtige Personalentscheidungen getroffen. Er ernannte seinen Vertrauten David Gill zum Staatssekretär im Präsidialamt.
Der bisherige Amtsinhaber Lothar Hagebölling wurde in den einstweiligen Ruhestand verabschiedet. Auch Andreas Schulze als Sprecher und Johannes Sturm als persönlicher Referent werden Gauck ins neue Amt begleiten.
Gauck (72) und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt wurden am Montag erstmal im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Präsidenten, offiziell begrüßt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der als Präsident des Bundesrates vier Wochen lang kommissarisches Staatsoberhaupt war, sowie Altpräsident Christian Wulff empfingen Gauck an seinem neuen Arbeitsplatz. Wulff war am 17. Februar zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt.
Auf Fragen von Reportern ging das neue Staatsoberhaupt nur kurz ein. Er empfinde großen Respekt vor dem Amt, sagte er. Auf sein Herz deutend meinte er: „Mir pochert es hier drin.“ Nach ausführlichen Gesprächen mit Seehofer und Wulff traf er am Nachmittag auch mit den Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes zusammen. Dort erhielt Gill die Ernennungsurkunde. Er folgt auf Hagebölling, der mit Gaucks Vorgänger Wulff aus Hannover nach Berlin gekommen war.
Gill war bisher Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland und ist SPD-Mitglied. Seit zwei Jahrzehnten ist der Jurist ein enger Weggefährte Gaucks. Von 1991 bis 1992 war er dessen Sprecher in der Stasi-Unterlagenbehörde. Er hat bereits in den vergangenen Wochen Gaucks Termine gemanagt. Als Staatssekretär kann er künftig an allen Kabinettssitzungen der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Der künftige Sprecher Schulze gehört den Grünen an, Sturm ebenfalls der SPD. Die bisherige kommissarische Sprecherin des Amtes, Petra Diroll, wurde von dieser Aufgabe entbunden.
Gauck hatte am Sonntag in der Bundesversammlung 991 von 1228 gültigen Stimmen erhalten. Seine Kandidatur wurde von Union, SPD, Grünen und FDP unterstützt. Das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Auf seiner ersten Auslandsreise will Gauck Polen besuchen.
Im Ausland wurde die Wahl Gaucks mit Aufmerksamkeit registriert. Kreml-Chef Dmitri Medwedew gratulierte und würdigte dabei die engen Beziehungen beider Länder. Russland und Deutschland leisteten mit ihrer „stabilen Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherheit“, hob Medwedew in einer am Montag in Moskau veröffentlichten Botschaft hervor.
Von einem bisherigen Engagement nahm Gauck unterdessen Abschied. So gab er den Vorsitz des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ inzwischen ab. Gauck war seit Ende 2003 Vorsitzender des bundesweit agierenden Vereins, der die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und das Unrecht der SED-Diktatur wachhalten will. Wer sein Nachfolger wird, sei noch offen, hieß es aus dem Verein.
Linke-Chef Klaus Ernst wünscht sich vom neuen Bundespräsidenten mehr Respekt vor der gesamten Lebensleistung der Ostdeutschen. Deren Biografien dürften nicht einseitig auf Diktatur und Unfreiheit reduziert werden. „Das wird weder dem Lebensgefühl der Menschen gerecht noch ihrer Lebensleistung“, sagte der in Westdeutschland aufgewachsene Ernst am Montag in Berlin. Es sei ein großer Akt gewesen, dass die Ostdeutschen die Mauern niedergerissen hätten. „Aber das war nicht die einzige Leistung der Menschen, die in diesem Land gelebt und gearbeitet haben.“