Gauck über Spionagefall beim BND: „Spiel mit Freundschaft“

Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck hat sich besorgt über den Spionagefall beim Bundesnachrichtendienst (BND) gezeigt und vor einer Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen gewarnt.

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Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass ein BND-Mitarbeiter für einen US-Geheimdienst spioniert hat, „dann ist das wirklich ein Spiel auch mit Freundschaft, mit enger Verbundenheit“, sagte Gauck im ZDF-Sommerinterview. „Dann ist ja nun wirklich zu sagen: Jetzt reicht's auch einmal.“

Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangt von den USA Aufklärung über die Spionagevorwürfe. „Wenn die Berichte zutreffen, dann reden wir hier nicht über Kleinigkeiten“, sagte Steinmeier bei einem Besuch in der Mongolei.

Deshalb müssten die USA „mit ihren Möglichkeiten an einer schnellstmöglichen Aufklärung mitwirken“, sagte Steinmeier. „Aus Eigeninteresse sollten die USA dieser Mitwirkungspflicht auch Folge leisten.“ Nichts dürfe unter den Teppich gekehrt werden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert eine klare Stellungnahme der USA zu den neuesten Spionagevorwürfen. „Ich erwarte jetzt, dass alle zügig an der Aufklärung der Vorwürfe mitwirken - und schnelle und eindeutige Äußerungen, auch der USA“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung.

Der für die Spionageabwehr zuständige Minister sagte weiter: „Die vom Generalbundesanwalt erhobenen Vorwürfe wiegen sehr schwer und müssen jetzt zügig aufgeklärt werden. Die Ermittlungen müssen zeigen, was konkret dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Erst dann können wir das Ausmaß der mutmaßlichen Spionage beurteilen, insbesondere auch die Frage beantworten, wer daran beteiligt war.“ Der Fall mache deutlich, dass die Spionageabwehr des Bundes weiter ausgebaut werden müsse.

Die Affäre um den US-Spion beim Bundesnachrichtendienst scheint allerdings nicht ganz so weite Kreise zu ziehen wie zunächst befürchtet. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags ist nach Angaben seines Vorsitzenden Patrick Sensburg entgegen ersten Berichten doch nicht ausspioniert worden. Zudem war der Spion laut BND nur eine Hilfskraft in der Abteilung „Einsatzgebiete Ausland“ und kein Agent des Auslandsgeheimdienstes. „Es ist nach der ersten Bewertung nicht etwas, was der GAU (größte anzunehmende Unfall) wäre“, hieß es in ranghohen BND-Kreisen.

Die Bundesanwaltschaft hatte bereits am Mittwoch einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter festnehmen lassen. Er hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur über einen Zeitraum von zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienste weitergeleitet und dafür 25 000 Euro kassiert. Die Dokumente enthielten laut BND keine besonders sensiblen Informationen. Der BND geht davon aus, dass der Spion aus finanziellem Interesse und Geltungsdrang gehandelt hat.

Die beim Bundesamt für Verfassungsschutz angesiedelte Spionageabwehr kam dem Maulwurf Ende Mai auf die Spur, nachdem er dem russischen Geheimdienst seine Dienste in einer E-Mail an das russische Generalkonsulat in München angeboten hatte. Als Beleg für seinen Wert schickte der Mann drei als geheim eingestufte BND-Dokumente mit, von denen zwei den NSA-Untersuchungsausschuss betrafen. Diese E-Mail wurde vom Verfassungsschutz abgefangen.

Um den Maulwurf zu überführen soll sich die deutsche Seite sogar an US-Behörden gewandt haben. Sie wollte so herausfinden, ob die Google-Mail-Adresse, von der aus das russische Generalkonsulat angeschrieben worden war, dort möglicherweise bekannt ist, berichten der „Spiegel“ und die „Welt am Sonntag“. Laut „Spiegel“ reagierte die US-Seite aber nicht.

Der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl forderte Konsequenzen: „Die Amerikaner halten sich ganz offenkundig nicht daran, dass man Verbündete nicht ausspäht. Sie führen sich in Deutschland auf wie eine digitale Besatzungsmacht“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Es sei deshalb an der Zeit, „sich unabhängiger von den amerikanischen Geheimdiensten zu machen“. Auch müsse die technische Ausstattung der deutschen Dienste verbessert werden.

Martina Renner, Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, verlangte in der Zeitung, der Generalbundesanwalt müsse endlich „ein Ermittlungsverfahren wegen der massenhaften Ausspähung deutscher Bürger durch die NSA und anderer Machenschaften dieses Dienstes einleiten“.

Der Fall scheint auch in der US-Regierung für Beunruhigung zu sorgen. Die „New York Times“ zitierte einen Regierungsvertreter mit der Einschätzung, die Berichte über eine mindestens zweijährige Spionagetätigkeit des BND-Mitarbeiters drohten alle Reparaturarbeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis wieder zu zerstören.

Die frühere US-Außenministerin und mögliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit beider Länder Länder. Der „Bild am Sonntag“ sagte sie: „Ich weiß, dass Präsident Obama sich sehr stark engagiert, um sämtliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen und die Zusammenarbeit mit Deutschland fortzusetzen.“