Gesundheitskarte: teuer, kompliziert — nutzlos?
Die meisten Versicherten haben bereits die Karte. Doch bisher kann sie noch nicht viel. Das soll sich ändern — bis 2018.
Berlin. Hauptstadtflughafen, Elbphilharmonie — elektronische Gesundheitskarte. Das IT-Milliardenprojekt scheint sich nahtlos in Vorhaben mit Pannen-Image einzureihen. Ursprünglich sollte die eGK am 1. Januar 2006 eingeführt werden. Widerstand von Ärzten, Streit und Planungsprobleme verzögern eine sinnvolle eGK bis heute. Doch im Stillen geht der Aufbau voran — was bekommen die Versicherten wann zu spüren?
97 Prozent der Versicherten haben bereits die Karte. Gesamtkosten: 2014 laut den Kassen mehr als eine Milliarde Euro. Doch viel kann die eGK nicht. Das zu ändern ist Ziel der Gematik. Die Gesellschaft mit den Kassen, Ärzten, Kliniken und Apothekern als Trägern gibt sich tatkräftig. Im Moment wird laut Gematik-Geschäftsführer Arno Elmer die Infrastruktur aufgebaut.
„Da werden jetzt Leitungen verlegt“, versichert der 48-Jährige. „Im kommenden Jahr steht die Gesundheitsdatenautobahn.“ Elmer beschreibt die bestehenden Datennetze bei Praxen und Kliniken als Landstraßen — bald würden sie an die digitale Autobahn angeschlossen.
Spontane Begeisterung löst das Projekt in Zeiten der Datenspionage bei vielen nicht gerade aus. Aktivisten machen etwa im Bündnis „Stoppt die e-Card!“ Front. „Die Sicherheit des Systems ist weit höher als die beim Onlinebanking“, beteuert Elmer. Zentrale Server solle es nicht geben, die Daten bleiben in Praxen und Kliniken — Verschlüsselungen und PIN-Nummern sollen den Austausch sicher machen.
Bei den Medizinern gibt es auch andere Gründe für Ablehnung. „Viele Ärzte haben Angst, der persönliche Kontakt zu den Patienten nehme ab, weil Daten elektronisch abgefragt werden“, sagt Philipp Klöcker, Mitautor einer Studie der Uni Augsburg. IT-Experte Rainer Bernnat sagt: „Viele wollen sich nicht in die Karten schauen lassen.“ Doch in der Ärzteschaft gibt es auch andere Stimmen. „Deutschland hinkt beim Thema E-Health hinterher“, klagt der Chef des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. „In anderen Ländern klappt der Arzt sein Notebook auf und hat die Krankheitsdaten des Patienten vorliegen.“
Vom Hickhack alarmiert macht Minister Hermann Gröhe (CDU) Dampf. In der Koalition wird erwartet, dass sein E-Health-Gesetz bis Oktober auf den Weg kommt. Die Ärzte sollen auf digital umschalten. Ab Ende 2015 sollen laut den Kassen etwa Adresse und Versichertenstatus auf der Karte online überprüft werden können. Ab 2016 soll die elektronische Unterschrift eingeführt werden.
Und Notfalldaten sollen auf der Karte gespeichert werden können — Ärzte könnten rasch Infos über Allergien oder Herzschrittmacher bekommen. Greifbar ist auch, dass Ärzte, Kliniken und Apotheker die Daten eines Patienten austauschen können. Elmer: „Heute werden Röntgenbilder in Pappröhren verschickt.“
Wesentliche Anwendungen würden jedenfalls bis 2018 eingeführt — bis dahin dürften der neue Berliner Flughafen und die Hamburger Elbphilharmonie übrigens bereits fertig sein.