Gewalt gegen Frauen - Kanzlerin Merkel verspricht Runden Tisch in Berlin

Inklusion und Gewalt gegen Frauen — Angela Merkel hatte harte Themen beim Ortstermin In Köln und löst damit auch gleichzeitig ein Wahlversprechen ein.

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Köln. Eine besondere Überraschung haben die Kinder in der inklusiven Kita in Köln-Kalk an diesem Mittwoch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): ein fröhliches Geburtstagsständchen. Schließlich war die Regierungschefin am Vortag 64 Jahre alt geworden. Zuvor hatte sie schon am Montag NRW besucht und sich von einem Altenpfleger dessen Arbeit zeigen lassen, war nur kurz über ihren Geburtstag zurück in Berlin. Nun löst sie ein weiteres Versprechen aus dem Wahlkampf ein und besucht in Köln Natalie Dedreux an deren Arbeitsplatz, einem Café der Caritas. Die 19-Jährige hat das Down-Syndrom.

Dedreux hatte im September 2017 einen viel beachteten Auftritt in der ARD-„Wahlarena“, in der Merkel zu Gast war. In der Sendung wies Dedreux darauf hin, dass neun von zehn Babys mit Down-Syndrom in Deutschland nicht geboren würden. Und die junge Frau sagte: „Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben.“ Dedreux arbeitet seit Anfang September 2017 im Café Querbeet, einer Begegnungsstätte der Kölner Caritas für Menschen aus dem Stadtteil. „Vielleicht führt mich der Weg ja mal dorthin“, hatte Merkel im TV gesagt. Das löst sie nun ein. Die 19-Jährige sagt im Anschluss, das Treffen sei „schon sehr gut“ gewesen. Und Merkel weist darauf hin, dass acht Prozent der Beschäftigten im Kanzleramt Menschen mit Behinderung seien — noch keine mit Down-Syndrom, „aber das kann ja noch werden“.

Am Nachmittag steigt die Kanzlerin dann vor dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) aus ihrer Limousine. Blauer Blazer, breites Lächeln — das beim Fototermin im Lichthof des Hauses zu einem vergnügten Lachen wird, weil durch jedes der Bürofenster aufgeregte Mitarbeiter zu ihr herabwinken. Ernster wird es dann abseits der Fernsehkameras und Fotoapparate: Angela Merkel lässt sich die Räume des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ zeigen, spricht selbst mit einer der 70 Beraterinnen, die ebenso wie die Opfer, mit denen sie sprechen, anonym bleiben.

Merkel (l.) und Familienministerin Franziska Giffey (2.v.r.) im Gespräch mit Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons (2.v.l.), BAFzA-Präsidentin Helga Roesgen (r.) und einer anonymen Beraterin. Foto: dpa

Vor fünf Jahren wurde das bundesweite Beratungsangebot ins Leben gerufen, bei dem vertraulich, kostenfrei und rund um die Uhr Hilfe geleistet wird — neben Deutsch in 17 weiteren Sprachen. 143 000 Frauen haben die Nummer seit 2013 insgesamt in Anspruch genommen, von Jahr zu Jahr immer mehr. „Die steigende Nachfrage nach Beratungen zeigt, dass es einen enormen Bedarf für dieses Angebot gibt“, sagt Helga Roesgen, Präsidentin des BAFzA. Und das vor allem außerhalb von Geschäftszeiten: „38 Prozent der Beratungsgespräche fanden zwischen 18 Uhr abends und 8 Uhr morgens statt.“ Rund 35 Prozent aller Frauen in Deutschland, so eine Untersuchung der Europäischen Grundrechteagentur aus dem Jahr 2014, sind mindestens einmal im Leben von Gewalt betroffen. Aber nur etwa 20 Prozent von ihnen suchten sich auch Hilfe.

Gewalt gegen Frauen sei immer noch ein Tabuthema, sagt Merkel nach der Besichtigung. Das Beratungsangebot sei daher „eine sehr, sehr gute Sache“. Sie dankt den Beraterinnen für deren Arbeit. „Das Hilfetelefon ist ein erster Schritt zum Ausstieg aus der Gewalt“, lobt auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die mit zum Ortstermin in Köln gekommen ist. Unter Giffeys Leitung, verspricht Merkel, solle es ab Herbst einen Runden Tisch in Berlin geben, der weitere Wege erarbeiten soll, um Frauen vor Gewalt zu schützen.