Grass, die unerwünschte Person

Israel schlägt nach dem umstrittenen Gedicht zurück und straft Günter Grass mit einem Einreiseverbot. Doch es gibt Kritik.

Tel Aviv. Günter Grass ist in Israel nach seinen umstrittenen Äußerungen nicht mehr willkommen. „Ich sehe es als Ehre an, ihm die Einreise ins Heilige Land zu verbieten“, sagte der israelische Innenminister Eli Jischai.

Aus israelischer Sicht hat der Literaturnobelpreisträger mit seinem israelkritischen Gedicht eindeutig eine rote Linie überschritten. Mit seiner rigorosen Entscheidung stieß Jischai aber auch in Israel auf Kritik. Die Zeitung „Haaretz“ beschrieb sie am Montag als „hysterisch“. Solche Maßnahmen passten eher zu „düsteren Regimes“ wie dem Iran und Nordkorea.

Der Innenminister von der strengreligiösen Schas-Partei will aber in der heftigen Debatte um Grass keine Grautöne geltenlassen — der Intellektuelle ist für ihn mit seinen Äußerungen vollständig in die Kategorie „Nazi“ gerutscht. Jischai sagte sogar, man müsse dem 84-Jährigen eigentlich den Literaturnobelpreis aberkennen.

Der von orientalischen Juden abstammende Politiker verglich Grass’ Äußerungen mit der antisemitischen Hetze, die letztlich zum Holocaust geführt habe. „Man kann angesichts solcher Worte einfach nicht schweigen“, sagte er.

Viele Israelis finden es besonders perfide, dass Grass sein Gedicht ausgerechnet vor dem jüdischen Pessach-Fest veröffentlichte. Damit stellt er sich aus ihrer Sicht in eine Reihe mit antisemitischen Christen, die Juden in Europa über Jahrhunderte mit Ritualmordlegenden quälten. Damals gab es immer wieder Anschuldigungen, Juden würden das Blut christlicher Kinder für das Backen des traditionellen Matza-Brots am Pessach-Fest verwenden.

Als ähnlich absurd wird die Warnung von Grass gesehen, Israel gefährde den Weltfrieden. Israel fühlt sich von Teheran und dessen Atomprogramm existenziell bedroht.

Es ist nicht das erste Mal, dass Israel Ausländern als „Strafe“ für kritische Äußerungen die Einreise verbietet. 2008 verbot Israel dem US-Historiker Norman Finkelstein, Sohn von Holocaust-Überlebenden, die Einreise. Im Oktober 2010 wies Israel die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire aus. Sie war nach Israel gereist, um sich mit israelischen und palästinensischen Friedensaktivisten zu treffen.

Der Dirigent Daniel Barenboim hatte 2001 ein Tabu gebrochen und Musik des in Israel wegen seiner antisemitischen Ansichten verpönten Komponisten Richard Wagner gespielt. Daraufhin gab es zahlreiche Forderungen, ihn zur unerwünschten Person zu erklären — was jedoch letztlich nicht passierte.