Graumann neuer Präsident des Zentralrats der Juden
Frankfurt/Main (dpa) - Neue Ära beim Zentralrats der Juden in Deutschland: Der Frankfurter Immobilienkaufmann Dieter Graumann (60) ist am Sonntag zum neuen Präsidenten des Dachverbandes gewählt worden.
Er ist der erste Zentralratspräsident, der den Nationalsozialismus und den Massenmord an den europäischen Juden nicht mehr selbst erlebt hat. Der fünf Jahre nach dem Nazi-Terror in Israel geborene Graumann tritt die Nachfolge von Charlotte Knobloch an, die sich nicht mehr zur Wahl stellte.
Graumann war seit 2006 bereits Vizepräsident des Zentralrats, der sich als politische Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland versteht. Er kündigte nach seiner Wahl an, den Zentralrat „fit für die Zukunft“ zu machen. Er wolle eine „ganz neue jüdische Gemeinschaft“ aufbauen, dazu sei eine „geglückte Kombination“ aus Kontinuität und Wandel nötig. Er wolle ein frisches Bild vom Judentum vermitteln und sicherstellen, dass es nicht immer nur im Zusammenhang mit Elend und Verfolgung wahrgenommen werde.
Die Juden sollten nicht immer nur Moralwächter sein, sondern auch Impulsgeber für gesellschaftliche Debatten, sagte der 60-Jährige. Sie wollten nicht immer nur sagen, wogegen sie seien, sondern auch, wofür. Graumann mahnte die Juden in Deutschland zugleich zur Einigkeit. Er dankte seiner Vorgängerin Knobloch - sie habe sich große Verdienste um den Zentralrat erworben.
An Graumanns Stelle zum Vizepräsidenten des Zentralrats gewählt wurde der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Würzburg, Josef Schuster. Der Vorsitzende der Frankfurter Jüdischen Gemeinde, Salomon Korn, wurde als Vizepräsident im Amt bestätigt. Graumann berichtete, er selbst sowie die Vizepräsidenten seien jeweils einstimmig bei einer Enthaltung gewählt worden. Unter dem Dach des Zentralrats sind 23 Landesverbände mit 108 jüdischen Gemeinden und rund 105 000 Mitgliedern organisiert.
Die 78 Jahre alte Knobloch, die seit Mitte 2006 dem Rat vorstand, hatte im Februar erklärt, für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Sie bekundete, „bewusst einen Generationenwechsel herbeiführen“ zu wollen. Knobloch war aber auch nachgesagt worden, dass sie im engeren Führungskreis des Verbandes keinen Rückhalt mehr hatte. Sie war die erste Frau an der Spitze des Zentralrats.
Graumann erhielt zahlreiche Glückwünsche von Kirchenvertretern und aus der Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte: „Mit Leidenschaft und hohem Einsatz haben Sie sich in Ihrer bisherigen Arbeit für das jüdische Leben in Deutschland große Anerkennung und breite Sympathie erworben.“ Sie freue sich auf die künftige Zusammenarbeit: „Eine wachsende und zukunftsfähige jüdische Gemeinschaft in Deutschland liegt auch mir besonders am Herzen.“ SPD- Chef Sigmar Gabriel teilte mit, es freue ihn, die jüdischen Gemeinden in Deutschland wieder wachsen zu sehen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte, der Zentralrat habe in den vergangenen Jahrzehnten unschätzbare Arbeit für ein friedliches Zusammenleben der Religionen geleistet. Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übermittelten Glückwünsche. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sagte, er sei zuversichtlich, dass der katholisch-jüdische Dialog ehrlich und konstruktiv weitergeführt werde.