Umweltschutz GroKo-Plan gegen Diesel-Fahrverbote stößt auf Kritik

Berlin · In Sachen Diesel steht in Mainz das nächste Urteil bevor, im Endspurt des Hessen-Wahlkampfs dreht sich ebenfalls vieles um mögliche Fahrverbote. Die Bundesregierung setzt auch auf neue Regeln.

Bei nur geringen Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte sei es nicht verhältnismäßig, dass Dieselfahrer ihre Autos stehen lassen müssten, „argumentiert“ Kanzlerin Angela Merkel.

Foto: dpa/Marijan Murat

Kurz vor der Landtagswahl in Hessen kocht die Debatte über drohende Diesel-Fahrverbote weiter hoch. Die Bundesregierung bekräftigte ihre Position, dass Sperrungen in Städten mit geringen Grenzwert-Überschreitungen bei der Luftverschmutzung in der Regel nicht verhältnismäßig wären. Dies soll auch gesetzlich untermauert werden, ohne dass der Bund Sperrungen untersagen könnte. „Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums am Montag in Berlin. Umweltverbände und Opposition kritisierten das Vorgehen. An diesem Mittwoch steht eine Gerichtsverhandlung über ein weiteres Fahrverbot an - in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz.

Konkret will der Bund für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens 10 Mikrogramm überschreiten, „Klarheit bei der Verhältnismäßigkeit“ schaffen, wie das Umweltministerium erläuterte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies am Sonntagabend bekräftigt.

An diesem Sonntag wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Für Frankfurt am Main mit einer Luftbelastung von zuletzt 47 Mikrogramm hat ein Gericht kürzlich Fahrverbote ab 2019 angeordnet, dagegen geht das Land juristisch vor. Die Luftverschmutzung in Frankfurt ist nach amtlichen Angaben für 2017 allerdings noch höher: An der Stickstoffdioxid-Messstation Börneplatz betrug der Jahresmittelwert 2017 nach einer neuen Liste des Umweltbundesamts 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Liste des Umweltbundesamts (UBA) ist öffentlich einsehbar und zuletzt am 21. September aktualisiert worden, die Bundesregierung bezog sich auf einen Stand vom 30. Mai.

Hintergrund ist auch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das Fahrverbote für generell zulässig erklärt, die Umsetzung aber an die Verhältnismäßigkeit knüpft. Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) begrüßte die Pläne der Bundesregierung. Die Unverhältnismäßigkeit sei bisher in sehr aufwendigen Gutachten zu prüfen, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag). Eine gesetzliche Klarstellung würde daher helfen.

Der Anwalt der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die in vielen Städten für Diesel-Fahrverbote vor Gericht zieht, hält das Vorhaben dagegen für wirkungslos. „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert“, sagte Remo Klinger der Deutschen Presse-Agentur. „Der Bund kann nicht pauschal entscheiden, was für Städte verhältnismäßig ist.“ Fahrverbote müssten dem Bundesverwaltungsgericht zufolge verhängt werden, wenn andere Maßnahmen nicht genau so schnell dazu führten, den EU-Grenzwert einzuhalten. „Ein solches Gesetz müssen Gerichte ignorieren, da Rechtsvorschriften nicht beachtet werden dürfen, die verhindern, dass das Europarecht durchgesetzt wird.“

DUH-Chef Jürgen Resch sprach von einer „durch Panik vor einem Wahldebakel gesteuerten Pseudo-Politik, die weder Hand noch Fuß hat“. Greenpeace kritisierte, was verhältnismäßig sei, lasse sich nicht gesetzlich regeln. Der Versuch werde zwangsläufig vor Gericht landen. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, nachdem sich Merkel nicht mit Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel bei den Herstellern habe durchsetzen können, wolle sie nun noch Beruhigungspillen verteilen.

Die Einschätzung der Umwelthilfe blieb nicht unwidersprochen: Merkels Plan sei „möglich und angemessen“, sagte Rechtswissenschaftler Jörn Ipsen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Folgen eines Fahrverbots würden an deutschem Verfassungsrecht gemessen, sagte er. Und: „Auch die Organe der Europäischen Union sind an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden.“

Vor der Gerichtsverhandlung in Mainz warnten Stadt und Wirtschaft eindringlich vor den Folgen möglicher Fahrverbote. Dies würde die Mobilität massiv einschränken und das Problem nicht lösen, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Montag. Das Beispiel Hamburg, wo zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel tabu sind, habe gezeigt, dass sich der Verkehr nur verlagere. In Mainz werde zudem Ende kommenden Jahres voraussichtlich auch an der letzten kritischen Messstation der Grenzwert unterschritten. Im vergangenen Jahr lag die Luftbelastung im Mittel bei 48 Mikrogramm.

Neben Hamburg muss Berlin bis Mitte 2019 für mindestens elf Straßenabschnitte ein Fahrverbot verhängen. Auch in Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Am 21. November wird über ein drohendes Verbot in Darmstadt verhandelt.

(dpa)