Große Projekte — große Sorgen
Elbphilharmonie, Berliner Flughafen, „Stuttgart 21“: Pannen am Bau kosten Deutschland Milliarden und Ansehen.
Berlin. Kann Deutschland noch Großprojekte umsetzen? Das Land ist weltweit geachtet für seine Ingenieurskunst, Qualität und die sprichwörtliche Pünktlichkeit.
Doch Pannen, Verzögerungen und Kostenexplosionen bei einer Reihe von Bauprojekten lassen große Zweifel an der Kompetenz der politischen Entscheider und der Umsetzer aus der Wirtschaft aufkommen. Abgesehen vom finanziellen Flurschaden kratzen die Pannen nicht nur am Renommee des Landes, sondern auch am Vertrauen seiner Bürger.
Bundesweit sind es derzeit rund 20 Großprojekte, die viel zu spät oder erst gar nicht fertig werden oder deren Budget weit über das Erwartete hinausschießt. Ein plastisches Beispiel ist die Hamburger Elbphilharmonie. Eigentlich sollte sie schon 2010 fertiggestellt werden, mittlerweile wird selbst 2017 nicht mehr ausgeschlossen. Die Kosten für die öffentliche Hand sind zudem mit fast 400 Millionen Euro doppelt so hoch wie einst veranschlagt.
Doch das Gros der Milliardengräber bilden Verkehrsprojekte — allen voran der Berliner Großstadtflughafen und das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Beide bestechen bislang durch eine Kette von Pannen, über die Bürger nur noch den Kopf schütteln.
So musste die Eröffnung des Berliner Airports kurz vor dem Termin im Sommer 2012 verschoben werden, weil die Auflagen für den Brandschutz nicht eingehalten wurden. Seitdem jagt eine Verschiebung die nächste. Nun wurden neue Mängel bekannt: Die Kapazität der Gepäckbänder sei zu knapp kalkuliert.
Ähnlich läuft es bei „Stuttgart 21“, wo die Milliarden-Kosten explodieren. Unter anderem, weil der Bau immer wieder verschoben oder unterbrochen wird. Hinzu kommt der Protest vieler Bürger, die sich gegen das Projekt stemmten, seit die ersten Bagger anrollten. Seitdem üben sich Bahn und Politik in gegenseitigen Schuldzuweisungen und streiten darüber, wer die Mehrkosten — erst im Dezember kamen 1,1 Milliarden Euro hinzu — übernimmt.
Dabei sind Preis- und Zeitüberschreitungen bei Bauprojekten an sich nichts Ungewöhnliches. Durch unerwartete Mehrkosten bei Rohstoffen, nachträgliche Änderungen an den Plänen und extreme Wetterverhältnisse, kann es zu Aufschüben kommen, erklärt der Bundesverband der Bauindustrie.
Die Schuld, dass sie bei Großprojekten aber so extrem werden, sieht der Verband bei der Politik: „Die Politik neigt leider dazu, die Baukosten aus Angst vor Diskussionen nicht ehrlich auszuweisen“, klagte Hauptgeschäftsführer Michael Knipper jüngst.
Die Preise werden viel zu niedrig angesetzt, unrealistisch günstige Angebote bekommen den Zuschlag. Das böse Erwachen ist programmiert. „Wir sind faktisch nicht mehr in der Lage, Großprojekte zu stemmen“, urteilt Knipper.
Rückendeckung bekommt er vom Vorsitzenden des Bauausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), der das Grundproblem in der „Sucht der Politik nach Prestigeobjekten“ sieht. Oft werde gegen besseres Wissen einfach mit dem Bau begonnen, weil bei explodierenden Kosten nur selten ein Baustopp folge.
Tauchen Probleme auf, wie bei der Finanzierung des Nürburgrings, kommt es mitunter zu Vertuschungsversuchen. So sollte der Ausbau der Eifel-Rennstrecke privat finanziert werden. Erst scheibchenweise kam dann heraus, dass die Landeskasse Rheinland-Pfalz mit mehr als 300 Millionen Euro einspringen muss.