Franco A. lernte Bomben bauen „Großreinemachen“: Bundeswehr-Uni hängt Helmut Schmidt ab
Berlin/Hamburg (dpa) - Die vom Fall des rechtsextremen Offiziers Franco A. erschütterte Bundeswehr kommt nicht zur Ruhe. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, sagte, ein weiterer Soldat sei wegen rechtsextremer Äußerungen vom Dienst suspendiert worden.
Der Zwischenfall, zu dem noch Ermittlungen liefen, habe sich nicht in der Kaserne ereignet, in der Franco A. stationiert gewesen sei, fügte er hinzu.
Der unter Terrorverdacht stehende 28-jährige Franco A. hatte sich, obwohl er nicht Arabisch sprach, erfolgreich als Flüchtling aus Syrien registrieren lassen. Nach Ansicht der Ermittler plante er einen Anschlag. Nach Informationen des „Spiegel“ hat die Bundeswehr diese Woche festgestellt, dass sein inzwischen ebenfalls inhaftierter mutmaßlicher Komplize Maximilian T. im Sommer 2014 an einem Schießtraining der Bundeswehr teilgenommen hatte, bei dem eine Pistole verschwunden war. Der Diebstahl ist bislang nicht aufgeklärt.
In der Kaserne von Franco A. im elsässischen Illkirch hatte das Jägerbataillon 291 einen Raum mit Wehrmachtssoldaten in Heldenposen dekoriert ausgeschmückt - weshalb Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nun sämtliche Kasernen nach Andenken an die Wehrmacht, etwa Stahlhelme oder Gewehre, durchsuchen lässt.
Dieser Kampagne fiel jetzt auch Altkanzler Helmut Schmidt zum Opfer. Da ein Bild den 2015 gestorbenen SPD-Politiker in Wehrmachtsuniform zeigt, ließ die nach ihm benannte Bundeswehruniversität Hamburg sein Konterfei aus dem Flur eines Studentenwohnheims entfernen. „Die Vorgesetzten haben die Studenten angewiesen, das Bild abzuhängen“, sagte ein Sprecher der Universität. Zuerst hatte der „Focus“ berichtet. „Dieses Beispiel beweist, dass die Ministerin Maß und Mitte verloren hat und die Truppe tief verunsichert“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold der „Bild“-Zeitung (Samstag). „Aus Sicht des Ministeriums hätte die Entscheidung nicht zwingend so ausfallen müssen“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Bei einem Besuch in Rheinland-Pfalz kündigte von der Leyen an, es werde bis auf die unterste Ebene der Vorgesetzten gefragt werden, welche Probleme gute Führung verhindern. Darüber sprach sie im Zentrum Innere Führung in Koblenz hinter verschlossenen Türen. Anschließend sagte sie bei einem „Sicherheitspolitischen Forum“ des Deutschen Bundeswehrverbands in Montabaur, sie erwarte nicht nur Antworten wie Zeitmangel und Bürokratie, sondern auch viele weitere Rückmeldungen.
Wie jetzt bekannt wurde, hatte das Verteidigungsministerium das Streitkräfteamt bereits im vergangenen Januar beauftragt, die Ausgabe des Liederbuches „Kameraden singt!“ der Bundeswehr zu stoppen und eine neue Liederliste zu erstellen. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete, stehen vor allem die Lieder „Schwarzbraun ist die Haselnuss“, das „Panzerlied“ oder das „Westerwald-Lied“ in der Kritik. Das Streitkräfteamt soll nun eine neue Liedersammlung entwickeln. Ein Sprecher des Ministeriums betonte: „Die angewiesene Überarbeitung steht in keinem Zusammenhang mit aktuellen Vorgängen um die Verhaftung von Oberstleutnant A..“
Der Fall Franco A. hat auch die Debatte um eine Rückkehr zur Wehrpflicht wieder aufleben lassen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier stellte sich am Freitag auf die Seite der Befürworter und damit gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich habe vor Jahren schon die Abschaffung der Wehrpflicht mehr kritisch gesehen. Es wäre sicherlich keine falsche Entscheidung, sie wieder einzuführen“, erklärte er in Schwerin. Er erwäge, das Thema demnächst im Verteidigungsausschuss des Bundesrats aufzurufen. Eine Freiwilligenarmee sei kein Spiegelbild der Gesellschaft, wo alle politischen Richtungen und Interessenlagen vertreten seien.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, eine Rückkehr zur Wehrpflicht wäre keine Garantie gegen rechtsextremistischen Vorfälle bei der Truppe. Denn auch in der deutschen Bevölkerung, seien - wie in ganz Europa - Tendenzen von Nationalismus und Populismus zu verzeichnen.
Die Ermittler stießen bei den Ermittlungen zum Fall Franco A. inzwischen auf eine Anleitung zum Bombenbau. Wie der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtete, fanden sie auf Datenträgern das in islamistischen Terrorkreisen verbreitete „Mujahideen Explosives Handbook“ aus den 90er Jahren. Außerdem soll sich Franco A. ein in Deutschland verbotenes Werk aus der Schweiz mit dem Titel „Der totale Widerstand“ beschafft haben.
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) war auf Franco A. erst aufmerksam geworden, nachdem er in Österreich wegen unerlaubten Waffenbesitzes vorübergehend festgenommen worden war. In Deutschland fiel dann bei einem Abgleich der Fingerabdrücke auf, dass Franco A. ein Doppellleben als „syrischer Flüchtling“ führte. Er steht im Verdacht, gemeinsam mit dem Soldaten Maximilian T. und einem Studenten aus Offenbach Anschläge auf Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geplant zu haben.
Laut „Spiegel“ war der nun vom Dienst suspendierte Ralf G. in seiner Kaserne im nordrhein-westfälischen Augustdorf durch die Meldung eines Kameraden aufgefallen. Er darf ab sofort keine Uniform mehr tragen. Der Mann soll auch einen Hinweis auf die rechtsextreme Gruppe rund um Oberleutnant A. gegeben haben. Er sagte laut der Zeugenaussage des Kameraden, in der Kaserne Illkirch gebe es „eine Gruppe gewaltbereiter Offiziere, die Waffen und Munition sammeln, um im Fall eines Bürgerkriegs auf der richtigen Seite zu kämpfen“.
Nach „Spiegel“-Informationen haben interne Ermittlungen der Bundeswehr zudem ergeben, dass Ralf G. zumindest den am Dienstag festgenommenen Maximilian T. persönlich kannte.
Über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Diebstahl von Waffen auf einem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Munster und der Gruppe um Franco A. sei bislang nichts bekannt, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die Verteidigungspolitiker von SPD und Linkspartei, Lars Klingbeil und Alexander Neu, kritisierten, dass sie den Vorgang erst aus den Medien erfahren hätten.