Ruf nach Steuersenkungen Steuerschätzer: 54,1 Milliarden Mehreinnahmen für den Staat

Berlin (dpa) - Der Staat kassiert in den kommenden Jahren weit mehr Steuern als bisher erwartet und hat damit einen größeren Spielraum für Ausgaben oder Entlastungen der Bürger.

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Bund, Länder und Kommunen können bis zum Jahr 2021 mit 54,1 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen rechnen als noch im November vorhergesagt. Das gaben die Steuerschätzer mit ihrer Mai-Prognose am Donnerstag bekannt. Von dem Zusatzplus in Folge der guten Konjunktur, Rekordbeschäftigung, höheren Löhnen und Firmengewinnen profitieren vor allem die Länder und Kommunen.

Mit dem in Aussicht gestellten Geldsegen werden gut vier Monate vor der Bundestagswahl die Forderungen nach stärkeren Entlastungen der Bürger und Unternehmen lauter. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht trotz der üppigen Rekordeinnahmen aber keinen größeren Spielraum für Steuersenkungen über das bisher angekündigte Volumen von jährlich 15 Milliarden Euro pro Jahr hinaus.

Schäuble verwies auf zahlreiche Belastungen, die in der Steuerschätzung noch nicht enthalten seien - ebenso auf umfangreiche Entlastungen der Länder durch den Bund. Er lege kein Steuerprogramm für die nächste Wahlperiode vor, sagte er mit Blick auf weitergehende Forderungen aus der Union. Eine maßvolle Entlastung für untere und mittlere Einkommen sei aber „möglich und angesagt.“ Es gehe um Berechenbarkeit und Verlässlichkeit und nicht um eine Politik nach dem Zufallsprinzip oder Landtagswahl-Ergebnissen.

Der Unions-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann hielt dagegen: „Meiner Meinung nach wird es einen weit größeren Spielraum geben als die bislang in Rede stehenden 15 Milliarden Euro.“ Die CDU habe beschlossen, dass ein Drittel der Steuermehreinnahmen für Steuersenkungen genutzt werden sollen.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will bei einem Wahlsieg die Überschüsse mit „absolutem Vorrang“ für Investitionen nutzen. Zurückhaltend zeigte sich der SPD-Chef beim Thema Steuersenkungen: „Das, was wir jetzt an Überschüssen erzielen, sind einmalige Überschüsse. Jetzt hinzugehen und sie dauerhaft zu verteilen, da muss man prüfen, wie weit ist das möglich“, sagte Schulz bei einem Wahlkampfauftritt in Bonn. Es müsse dringend mehr Geld für Bildung, Straßenbau und Digitalisierung ausgegeben werden.

Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries: „Investitionen müssen Vorfahrt haben“, sagte die SPD-Politikerin. Das sei die beste Geldanlage und stärke die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Die Steuerschätzung ist jeweils im Mai und im November fällig. Sie enthält nur beschlossene Vorhaben, berücksichtigt also keine geplanten Gesetze oder Bund-Länder-Vereinbarungen. Zudem wird die jetzige Prognose auch durch Beschlüsse der künftigen Bundesregierung für die nächsten Jahre keinen Bestand haben. Unabhängig davon steigen die Steuereinnahmen in der Regel alljährlich von Rekord zu Rekord.

Nach den aktuellen Schätzerzahlen kann der Staat in diesem Jahr mit insgesamt 732,4 Milliarden Euro rechnen. Das sind 7,9 Milliarden mehr als noch im November prognostiziert. Davon entfallen 2,4 Milliarden Euro auf den Bund, 6,5 Milliarden Euro auf die Länder sowie 2,5 Milliarden auf die Kommunen - abzüglich der um 3,9 Milliarden Euro erhöhten EU-Beiträge Deutschlands. Für 2018 werden 5,6 Milliarden Euro zusätzlich in Aussicht gestellt. Der Bund muss dann aber sogar mit 4,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen rechnen als noch im November vorhergesagt.

Bis zum Jahr 2021 könnte das Steueraufkommen für den Gesamtstaat dann auf 852,2 Milliarden Euro klettern. Das ist nochmals ein Plus von 16,6 Milliarden Euro im Vergleich zur Novemberschätzung.

FDP-Chef Christian Lindner forderte umfassende Steuersenkungen. „Angesichts der Mehreinnahmen sind 30 bis 40 Milliarden Euro jährliche Entlastung bis Ende des Jahrzehnts erreichbar“, sagte er. Linke-Chef Bernd Riexinger hielt dagegen: „Wir müssen jetzt in Erziehung, Gesundheit und öffentliche Infrastruktur investieren.“ Insbesondere in die Pflege müsse investiert werden. Auch die Grünen forderten Investitionen und Entlastungen für Familien.