Grüne streiten um Atomkurs - CDU frohlockt
Berlin (dpa) - Die parteiinterne Kritik am Atomkurs der Grünen- Spitze wird kurz vor dem Sonderparteitag immer lauter. Die Grüne Jugend wirbt bei den Delegierten dafür, dem Leitantrag am 25. Juni nicht zuzustimmen.
Das Datum des Atomausstiegs liege viel zu spät, ein früherer Ausstieg sei möglich.
„Da müssen Grüne sagen: Das tragen wir nicht mit.“, sagte die Sprecherin des Parteinachwuchses, Gesine Agena, der „taz“. Die Grünen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg fordern von der Bundespartei weitergehende Schritte. Der Grünen-Landesparteitag in Mainz stimmte am Samstag mit großer Mehrheit dafür, den Ausstieg im Grundgesetz oder in Staatsverträgen zu verankern.
„Was auf dem Tisch liegt, geht in die richtige Richtung, aber es sind noch Nachbesserungen nötig“, sagte der baden-württembergische Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller (Grüne) der „Wirtschaftswoche“. Offshore-Windanlagen auf dem Meer dürften nicht zulasten von Windrädern auf dem Land gefördert werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die Oppositionspartei auf, zu zeigen, „wofür sie steht“. „Dagegensein ist auf Dauer keine konstruktive Haltung“, sagte Merkel in einem am Samstag veröffentlichten Interview der Zeitschrift „Super Illu“.
Die Grünen-Spitze schwört die Partei trotz starker Widerstände an der Basis auf ein Ja zum schwarz-gelben Atomausstieg ein. „Diesen Erfolg, den überlass' ich nicht Frau Merkel“, hatte Parteichefin Claudia Roth am Freitag gesagt. Der Vorstandsantrag für den eigens einberufenen Sonderparteitag plädiert trotz zahlreicher Bedenken für eine Zustimmung zum stufenweisen Aus für die Atommeiler bis 2022, aber für eine Ablehnung der weiteren Gesetze zur Energiewende.
Wenn der Parteitag dieser Linie folge, sei der Schulterschluss mit vielen Anti-Atomkraft-Initiativen hinfällig, sagte Agena. Der Grünen- Vorsitzende Cem Özdemir sagte dagegen der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“, die Partei sei auch weiter ein „Teil der Umweltbewegung und da gibt es auch keinen Bruch“.
Die neue Mainzer Grünen-Wirtschaftsministerin Eveline Lemke sagte, sie sei mit dem Antrag des Bundesvorstands nicht zufrieden, weil die rechtliche Absicherung fehle. Die Grünen wollen aber im Bundesrat nicht mit Nein drohen: Sie lehnten mit Mehrheit einen Vorstoß ab, dem Ausstiegspaket nur zuzustimmen, wenn alle Forderungen erfüllt sind.
Die Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, verteidigte das Ja. Die Gesetzespläne von Schwarz-Gelb hätten Vorteile gegenüber dem früheren rot-grünen Atomkonsens, sagte sie im WDR-Hörfunk. Beim rot-grünen Konzept hätten die Energiekonzerne den Atomausstieg bis zum Jahr 2026 hinausschieben können. „Das soll nach der neuen Regelung nicht mehr möglich sein.“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der „Rheinischen Post“, der Antrag repräsentiere alle Teile der Partei - auch den linken.
Mehrere Grünen-Politiker versuchten, die Spekulationen über eine schwarz-grüne Koalition nach der nächsten Bundestagswahl zu stoppen. Trittin erklärte, Ziel grüner Politik sei, die schwarz-gelbe Koalition rückstandsfrei abzulösen. „Die Kanzlerin ist die Kanzlerin der schlechtesten Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik.“
Auch Sachsens Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau hält trotz des Atomausstiegs nichts von Debatten über Schwarz-Grün. „Unabhängig von Koalitionen geht es um einen breiten demokratischen Konsens.“ Da seien Rückschlüsse auf mögliche Bündnisse völlig fehl am Platz. Ihr Amtskollege aus Rheinland-Pfalz, Daniel Köbler, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Nach dem Stand von heute sehe ich keine Perspektive auf Bundesebene mit der CDU.“ Die Frage von Atomausstieg und Energiewende sei viel zu wichtig, um sie jetzt mit irgendwelchen Koalitionsfragen zu vermischen.