Grüne wollen mit Politik für alle ans Ruder

Freiburg (dpa) - Die Grünen sehen ihre Zeit in der Opposition vor dem Ende. Sie versprechen eine Politik für alle und wollen regieren - auch wenn sie beteuern: Abheben wollten sie nicht. Die Union feuert Breitseiten gegen die gewachsene Konkurrenz.

Die einstige Öko-Partei will mit „einer Politik für alle“ zur Regierungspartei der Zukunft werden. Die Partei biete das Gegenmodell zur schwarz-gelben „Lobby- und Klientelpolitik für bestimmte Hoteliers, für Atomkonzerne, für die Pharmalobby, für Privatversicherungen“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Freitagabend vor rund 750 Delegierten des Parteitags in Freiburg. Zunächst wollten die Grünen in Baden-Württemberg dafür sorgen, „dass die CDU-Herrschaft nach 57 Jahren zuende geht“. Die Union verschärfte ihre Angriffe.

„Wir müssen eine Politik machen, die alle Teile unserer Gesellschaft umfasst“, betonte Özdemir. Zugleich wollten die Grünen aber an ihrem Markenkern einer ökologischen und sozialen Partei festhalten.

Die Grünen würden vor der Bundestagswahl 2013 durchgerechnete Konzepte für eine Energiewende, mehr soziale Gerechtigkeit und bessere Bildung vorlegen. „Wer uns wählt, weiß: Er bekommt auch Zumutungen.“ Die Ankündigung eines höheren Spitzensteuersatzes und einer befristeten Vermögensabgabe gehöre zur Ehrlichkeit dazu. Die Bundesregierung sage den Reichen hingegen: „Wir wollen Euer Geld nicht, wir nehmen's lieber von den Hartz-IV-Empfängern.“

Trotz ihres Umfragehochs würden die Grünen auf dem Teppich bleiben, versicherte er. „Umsetzung der Versprechen, die vor der Wahl gegeben werden - das ist Bündnis 90/Die Grünen.“ Union und FDP stünden gegen das Gemeinwohl. „Die Mehrheit der Menschen in diesem Lande will nicht zurück zu neoliberaler Politik“, rief der Parteichef unter dem Jubel der Zuhörer. „Steuersenkungen auf Pump und zulasten künftiger Generationen - wer das will, muss zur FDP gehen.“

Vier Monate vor der Landtagswahl im Südwesten versprach Özdemir, die Grünen würden weiter gegen den Bahnhofsneubau protestieren, „bis das Unsinnsprojekt Stuttgart 21 endgültig beerdigt ist“.

Einem Bündnis mit der CDU im Bund erteilte Özdemir eine klare Absage: „Mit denen können wir nicht zusammenkommen.“ Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der „Rheinischen Post“, selbst einstige Schwarz-Grün-Anhänger in der Union müssten einsehen, dass die Grünen kein Koalitionspartner sein könnten.

Am Abend wollten die Delegierten Forderungen für 100 Prozent Ökostrom bis 2030 und eine komplette ökologische Wärmeproduktion bis 2040 beschließen. Die Wahl der gesamten Grünen-Führung steht an diesem Samstag auf dem Programm des dreitägigen Konvents. Neben Özdemir gilt auch die Wiederwahl der Co-Chefin Claudia Roth als sicher.

Im Bund erzielen die Grünen momentan Prognosen von 20 bis 23 Prozent, in Baden-Württemberg und Berlin können sie sich Hoffnungen auf den Posten des Regierungschefs machen. Laut einer neuen Allensbach-Umfrage liegen die Grünen mit 26 Prozent im Südwesten zwölf Punkte hinter der CDU, könnten aber mit einem Juniorpartner SPD (22 Prozent) die Regierung stellen.

Özdemir sagte: „Wir sind uns dessen bewusst, dass die guten Umfrageergebnisse auch einen fiesen Kater hinterlassen können.“ Die Grünen nähmen dies als Auftrag, sich dem würdig zu erweisen. „Das ist nichts anderes als ein Vertrauensvorschuss.“

Kauder kritisierte: „Es ist wie immer bei den Grünen: Nur große Worte, aber keine realistischen Vorschläge, wie Ziele erreicht werden können.“

Die Grünen wollen schnell aus der Atomkraft aussteigen, eine dauerhafte Brennelementesteuer mit höheren Sätzen einführen und neue Kohlekraftwerke ausschließen. Das niedersächsische Gorleben soll bei einer neuen Endlagersuche für Atommüll ausgeschlossen bleiben.