Guttenberg setzt Kommandanten der „Gorch Fock“ ab

Berlin/Ushuaia (dpa) - Die „Gorch Fock“-Affäre um den Tod einer jungen Offiziersanwärterin hat Konsequenzen: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den Kommandanten des legendären Segelschulschiffs, Norbert Schatz, abgesetzt.

Nun soll das Schiff schnellstmöglich nach Kiel zurückkehren. Die Mutter der toten Kadettin erstattete Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung. Bis zur Klärung des Falls werde die „Gorch Fock“ „an die Kette gelegt“, sagte Guttenberg. Ob das Schiff weiter die Weltmeere befahren darf, ist ungewiss.

„Ich habe den Inspekteur der Marine angewiesen, den Kommandanten des Schiffes von der Führung des Schiffes zu entbinden“, sagte Guttenberg der „Bild am Sonntag“. Seine Entscheidung begründete er am Samstag mit den Worten: „Nach einer derartigen Häufung von faktisch erschütternden Berichten kann niemand zur Tagesordnung übergehen (...) Dort, wo Konsequenzen gezogen wurden, mussten sie gezogen werden.“ Der CSU-Politiker war durch diesen und einen anderen Vorfall mit tödlichem Ende in Afghanistan unter Druck geraten.

Auf der „Gorch Fock“ sollen Mitglieder der Stammbesetzung Kadetten drangsaliert haben, auch zu sexuellen Übergriffen soll es gekommen sein. Im November war die 25-jährige Offiziersanwärterin aus der Takelage 27 Meter tief in den Tod gestürzt. Anschließend soll vier Auszubildenden, die nicht mehr in die Masten klettern wollten, Meuterei vorgeworfen worden sein, wie aus einem Bericht des Wehrbeauftragten hervorgeht.

Kapitän Schatz wurde laut ARD telefonisch über seine Abberufung informiert. Die „Gorch Fock“ liegt derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland. Voraussichtlich Anfang Februar soll sie nach Kiel zurückkehren. Das Kommando soll dann der Schatz' Vorgänger Michael Brühn haben. Brühn ist auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am Donnerstag in Ushuaia erwartet wird.

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) begrüßte Schatz' Absetzung: Er halte diese „schon allein aus Fürsorgegründen für eine richtige Entscheidung“. Schatz könne sich nun einfacher „auf seine eigene Stellungnahme zum Geschehen konzentrieren“. Zu den bisherigen Ermittlungen sagte der Wehrbeauftragte: „Wir haben zum Teil auch erschreckende Details gehört von den Erlebnissen, die Offiziersanwärter uns geschildert haben.“ Allerdings gebe es unterschiedliche Berichte - dies müsse nun bewertet werden.

Die Mutter der Toten erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ausbilder: „Wie konnten die Vorgesetzten Sarah so hoch in die Wanten schicken, obwohl sie noch gar nicht richtig angekommen war?“, fragt Annika Seele im „Spiegel“. Am 5. November sei ihre Tochter nach rund 20-stündiger Reise in Brasilien eingetroffen, erst früh am nächsten Morgen habe sie schlafen können. Schon am Morgen des 7. November habe der Drill begonnen. Auch der Bundeswehrführung macht Seele Vorwürfe: „Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb“, sagte sie dem „Focus“. Sie vermute Vertuschung.

Die Staatsanwaltschaft hat nach ZDF-Informationen bisher keine Hinweise auf Fehlverhalten im Fall der Kadettin. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte dem ZDF-Hauptstadtstudio, die junge Frau habe nach bisherigem Stand der Ermittlungen keinen Druck benötigt, um in die Takelage zu klettern. Laut „Focus“ steht das Verfahren kurz vor der Einstellung: „Einzelne Lehrgangsmitglieder mögen so etwas wie Druck empfunden haben“, wurde Winterfeldt zitiert. Dies jedoch sei „strafrechtlich nicht relevant“.

Die Opposition griff Guttenberg am Samstag scharf an. „Der Aufklärer Guttenberg wird das Thema nicht von sich weghalten können, auch wenn er weiter Untergebenen die Verantwortung zuschiebt“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Linken-Chef Klaus Ernst sagte: „Von ihm wurde kein personelles Bauernopfer gefordert, sondern rückhaltlose Aufklärung.“ Wenn nicht sofort alle Fakten auf den Tisch kämen, müsse im Bundestag ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob die Vorfälle „nicht eingehender untersucht werden müssen“.

Spekulationen über eine bevorstehende Ablösung von Marineinspekteur Axel Schimpf das Ministerium zurück. Entsprechende Medienberichte seien falsch, sagte ein Sprecher der dpa. „Der Inspekteur der Marine ist mit der Aufklärung der Vorfälle betraut.“ Bei Untersuchungen zum Tod eines Soldaten durch den versehentlichen Schuss eines Kameraden in Nordafghanistan haben die Ermittler laut „Spiegel“ massives Fehlverhalten des Schützen beim Umgang mit seiner Dienstpistole festgestellt. In dem Feldjäger- Bericht zu dem Vorfall am 17. Dezember auf einem Außenposten der Bundeswehr kommen die Ermittler demnach zu dem Schluss, dass sich eine Patrone im Lauf der Dienstpistole befand - während der Hauptgefreite davon ausging, die Waffe sei vollständig entladen.

Das Verteidigungsministerium hatte am Freitag eingeräumt, Minister zu Guttenberg erst am Vortag den Feldjäger-Bericht zu dem Unfall vorgelegt zu haben - also mit fast vierwöchiger Verzögerung. Im Fall der in Afghanistan geöffneten Feldpost wird Anfang der neuen Woche ein erster Untersuchungsbericht erwartet.