Ein bisschen wie Weihnachten Haushaltsausschuss erhöht Ausgaben für 2020 auf 362 Milliarden Euro
Berlin · Haushaltspolitiker haben nicht den spannendsten Job im Bundestag. Immer nur Zahlen, kaum Dienstreisen. Und die Öffentlichkeit interessiert sich wenig für die Pfennigfuchser. Einmal im Jahr ist das anders.
Dann flöhen die 44 Mitglieder des zuständigen Ausschusses den Etatentwurf der Regierung in nächtelanger „Bereinigungs-Sitzung“ durch, erhöhen hier, streichen da. Wähler werden beglückt, und dem Finanzminister wird gezeigt, wo der Hammer hängt. Am Freitag war es wieder so weit.
Fast 15 Stunden am Stück hatte man verhandelt, bis um 5 Uhr am Morgen. Und schon während der Sitzung füllten sich die E-Mailfächer der Redaktionen mit Pressemeldungen, deren Anfang meistens lautete: „In schwierigen Verhandlungen ist es dem Wahlkreisabgeordneten XY gelungen…“ Zum Beispiel 100.000 Euro für ein lokales Filmfestival herauszuschlagen. Oder das Denkmalschutzsonderprogramm zu verstetigen. Und Ähnliches. Auch etliche Kabinettsmitglieder frohlockten: Dass eine Initiative gegen Hass im Netz jetzt finanziert ist, fand zum Beispiel die Justizministerin eine „wichtige Stärkung der Zivilgesellschaft“. Und 84 Millionen mehr für ihren Bereich sind aus Sicht der Kulturstaatsministerin „ein deutliches Zeichen“. Ein bisschen ist es immer wie Weihnachten.
Insgesamt ist so ein Etatentwurf 3.000 Seiten dick und besteht aus 100.000 Einzelposten. Das sind viele Schräubchen, an denen man drehen kann. Die ganz großen diesmal: Die zusätzlichen Mittel für das Klimaschutzpaket. Und die Aufstockung für die Bahn. Am Ende waren die Ausgaben von ursprünglich geplanten 360 auf 362 Milliarden Euro gestiegen. Kein großes Problem für Kassenwart Olaf Scholz (SPD): Wie fast alle Etatentwürfe enthielt auch der aktuelle vorsorglich einige versteckte Reserven. Zum Beispiel beim Ansatz für Zinsausgaben in Höhe von 16,5 Milliarden Euro. Wegen der Niedrigzinsen wurde das schon im laufenden Jahr um 20 Prozent unterschritten, und es wird eher noch weniger werden. „Wir wissen genau, wo die Polster sind“, sagte FDP-Chefhaushälter Otto Fricke. Er hatte 596 Einsparvorschläge vorgelegt, um so 20 Milliarden aufzubringen. Die fehlen nämlich, um den Soli schon 2020 abzuschaffen, und zwar komplett. Doch die Koalitionsmehrheit lehnte ab.
Den Punkt bemängelten Fricke und die Vertreter der Oppositionsparteien hinterher als das größte Risiko des Etats. Selbst die Linke Gesine Lötzsch prophezeite Klagen gegen den Zuschlag, für den es seit dem Auslaufen des Solidarpaktes keine echte Begründung mehr gibt. Ohnehin befanden die GroKo-Kritiker den Haushaltsentwurf als nicht solide oder gar unseriös. Auch weil er eine „globale Minderausgabe“ von fünf Milliarden Euro vorsieht – Einsparungen also, die noch gar nicht erbracht sind. Außerdem gebe es keine Vorsorge für den Fall einer schlechter laufenden Wirtschaft und sinkender Steuereinnahmen. Nebenbei versuchten die Oppositionsvertreter auch, etwas Pfeffer in offene Koalitionswunden zu streuen. 85 Prozent der Mehrausgaben gingen an SPD-geführte Ressorts, berichtete Fricke. Sie sei die Gewinnerin. Und, ergänzte Sven Kindler von den Grünen, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sei die Verliererin. Denn der Wehretat bekomme von allen Ressorts gegenüber dem ursprünglichen Entwurf am wenigsten oben drauf. Freilich war er da mit 45 Milliarden Euro schon sehr hoch.
Die Große Koalition wehrte sich nicht direkt. Ihre beiden Sprecher, Eckhardt Rehberg (CDU) und Johannes Kahrs (SPD), sagten ihre übliche gemeinsame Pressekonferenz sogar kurzfristig ab, angeblich, weil Rehberg erkrankt war. Stattdessen gab es eine schriftliche Erklärung: „Dieser Haushalt bringt Deutschland gut durch das nächste Jahr und macht unser Land fit für die Zukunft“, ließ die GroKo ausrichten.