Konflikt Hebammen-Mangel besorgt Eltern

Initiative beklagt, dass schon jetzt keine Wahl des Geburtsortes mehr besteht.

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Düsseldorf. „Happy birthday“, „Elternprotest“ und „Mother Hood“ nennen sich in jüngerer Zeit gegründete Protestgruppen von Eltern, die vor allem ein Ziel haben: Sich gegen die Ausdünnung der Hebammenversorgung in Deutschland zur Wehr zu setzen. Dass die gesetzlichen Krankenkassen schon einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin die Tauglichkeit zur Hausgeburt infrage stellen, schlägt in diesen Gruppen hohe Wellen.

„Wir haben schon jetzt vielerorts keine freie Wahl des Geburtsortes mehr, weil wir längst einen eklatanten Mangel an Hebammen haben. Allein dieses Jahr haben fünf Geburtsstationen geschlossen, eine davon in NRW. Deutschlandweit fehlen 400 Hebammen in den Kreißsälen“, sagt Julia Hoyer vom Arbeitskreis „Düsseldorfer Elternprotest“.

Dass ab Überschreiten des errechneten Geburtstermins Ärzte und nicht mehr eigenverantwortlich die Schwangere und ihre Hebamme über eine Hausgeburt entscheiden sollen, hält sie für ein fatales Signal: „Schon jetzt kommt es bei 93 Prozent der Geburten zu einer medizinischen Intervention. Am meisten sorge ich mich darum, dass vor dem Hintergrund der Kostenoptimierung das Natürliche an der Geburt immer mehr verloren geht.“

Ähnlich argumentiert Hanno Köhncke aus Velbert: „Die Frau ist ja keine Eieruhr. 60 Prozent aller Kinder werden völlig gesund nach dem errechneten Termin geboren. Man schränkt die Rechte der Frauen unnötig ein.“

Der fünffache Vater aus Velbert ist Mitbegründer einer Online-Petition, die derzeit in den sozialen Netzwerken große Aufmerksamkeit erhält und bislang von mehr als 100 000 Teilnehmern unterschrieben wurde. Die Petition fordert den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen auf, auch in Zukunft unabhängig vom Geburtsort alle Kosten für die Geburtshilfe zu übernehmen.

Der Einsatz dieser Eltern kommt nicht von ungefähr. Laut Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe hat aufgrund der schwierigen Berufssituation innerhalb von fünf Jahren jede sechste Hebamme die freie Geburtshilfe aufgegeben. Von den etwa 21 000 Hebammen in Deutschland betreuen nach Schätzungen der Berufsverbände nur noch 3500 Hebammen überhaupt Geburten.

„Viele geben gleichzeitig auch die Vor- und Nachsorge auf“, weiß Julia Hoyer. Sie kennt Frauen, die Dutzende Hebammen anrufen mussten, bis sich eine fand, die sie im Wochenbett betreute. „Zum Teil laufen auf den Anrufbeantwortern Nachrichten, bis wann eine Hebamme keine neue Schwangere annehmen kann.“ In Krefeld berichtet der dortige Hebammenverband, dass seine Mitglieder seit Beginn des Jahres mehr als 400 Frauen eine Absage für die Nachsorge erteilen mussten.

Manche Hebammen nehmen nur noch unter Vorbehalt Frühschwangere an, da neben dem Konflikt mit den Krankenkassen zum 1. Juli 2016 auch noch der Ausstieg des letzten verbliebenen Versicherungskonsortiums droht, das den Hebammen die notwendige Berufshaftpflicht anbietet. Viele von ihnen wüssten deshalb noch nicht, ob es beruflich für sie überhaupt weitergeht.

Ungeahnte Ausmaße hat der Hebammenschwund jetzt im baden-württembergischen Bruchsal. Die dortige Fürst Stirum Klinik teilte per Pressemitteilung mit, dass sie nicht mehr genügend Hebammen zur Verfügung habe, um den üblichen 24 Stunden Betrieb aufrechtzuerhalten. Ab Dienstag werden bereits angemeldete Entbindungen nur noch zwischen 7 und 17 Uhr durchgeführt.

Wenn die Wehen außerhalb dieser Zeit einsetzen und es sich nicht um einen Notfall handelt, müssen sich Frauen eine andere Klinik suchen.