Hoffnung auf Endlager-Einigung noch vor der Wahl
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht gute Chancen, den Dauerkonflikt um eine bundesweite Atommüll-Endlagersuche noch vor der Bundestagswahl zu lösen.
Die Kanzlerin habe immer ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass es noch in dieser Legislaturperiode gelingen könnte, „diesen wirklich bitteren, jahrzehntelangen Streit ad acta zu legen und zu gemeinsamen Lösungen zu kommen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dazu sei die am Sonntag erzielte Einigung zwischen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und der niedersächsischen Regierung ein guter Schritt.
Am 7. April soll eine Bund-Länder-Runde die letzten Details klären, damit das Endlagersuchgesetz in einem Eilverfahren noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden kann. Altmaier hatte sich mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) darauf verständigt, dass eine aus 24 Personen bestehende Enquetekommission in einem ersten Schritt bis Ende 2015 Grundlagen und Vergleichskriterien für die Suche erarbeiten soll.
Weitere Atommülltransporte in das Zwischenlager Gorleben sollen unterbleiben - dort stehen bisher 102 Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen. Nahe des oberirdischen Zwischenlagers befindet sich der Salzstock, der seit 1977 einzige Endlageroption ist. In die Erkundung wurden bereits 1,6 Milliarden Euro investiert.
„Sowohl (Castor-)Transporte wie auch Erkundungsarbeiten sind unbefristet eingestellt“, sagte Wenzel am Montag in Hannover mit Blick auf Gorleben. Ein Sprecher Altmaiers betonte in Berlin, es sei noch keine Vorfestlegung getroffen worden, in welche Zwischenlager die noch anfallenden Atommülltransporte gehen sollen - es gibt unter anderem bei den neun noch laufenden Kernkraftwerken Zwischenlager.
Einem Transport hierhin muss aber die jeweilige Landesregierung zustimmen. Für 2013 und 2014 sind bisher keine Transporte geplant. Ab 2015 müssen dann aber noch 21 Atommüll-Behälter aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield aufgenommen werden und sechs aus dem französischen La Hague. Das Deutsche Atomforum äußerte rechtliche Bedenken gegen die Kehrtwende. „Das Zwischenlager in Gorleben ist derzeit die einzige Einrichtung in Deutschland mit einer Genehmigung zur Aufnahme zurückzuführender verglaster radioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung im Ausland“, betonte ein Sprecher in Berlin.
Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit sollen in das Suchverfahren integriert werden. Am Ende soll eine Auswahl zwischen den beiden besten Optionen erfolgen. Noch unklar ist, ob neben Salzstöcken auch verstärkt Tonformationen in den Blick genommen werden. Als Option wird auch eine rückholbare Lagerung diskutiert, um bei Problemen den Atommüll wieder bergen zu können. Niedersachsen hofft, dass Gorleben über die noch festzulegenden Vergleichskriterien aus der Auswahl herausfallen wird.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) begrüßte wie auch weitere Spitzenpolitiker von SPD und Grünen den Kompromiss. „Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir einen nationalen Konsens noch in dieser Legislaturperiode erreichen werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Rande eines Besuchs in den Niederlanden. Baden-Württemberg hatte 2011 eine „weiße Landkarte“ ins Gespräch gebracht, wonach ergebnisoffen und bundesweit gesucht werden sollte. „Es wird so verfahren, als ob es Gorleben noch gar nicht gäbe“, sagte Kretschmann. Bei der Endlagersuche werde bei jedem Schritt geprüft, ob Gorleben den Kriterien entspreche oder nicht. Entscheidend sei, dass die Wissenschaft hier das Sagen habe und nicht die Politik.
Wegen der bereits in Gorleben getätigten Investitionen und um ein juristisch wasserdichtes Suchverfahren zu garantieren, hatten Union, FDP und die Spitzen von SPD und Grünen den Wunsch Niedersachsens nach einem Ausschluss Gorlebens abgelehnt. Der Atomkraftgegner Fried Graf von Bernstorff, dessen Familie große Teile des Salzstocks Gorleben gehören, brachte den früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) als Vorsitzenden der Enquete-Kommission ins Spiel. Töpfer hatte schon zusammen mit Matthias Kleiner die Ethikkommission geleitet, die der Regierung 2011 einen Atomausstieg binnen zehn Jahren empfohlen hatte.