Poker um Gauck-Nachfolge Im Präsidentenpoker läuft Merkel die Zeit davon

Je länger die Kanzlerin keinen Namen nennt, desto mehr steigen die Chancen von Frank-Walter Steinmeier

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Berlin. Im richtigen Poker müsste Angela Merkel (CDU) jetzt ihre Karten offenlegen. Denn SPD-Chef Sigmar Gabriel hat mit der Nennung des Namens Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Showdown um die Bundespräsidentenwahl eingeleitet. Doch die Union tut so, als habe sie das nicht gesehen. Sie will einfach das Spiel "Große Koalition sucht gemeinsamen Kandidaten" weiterspielen und sieht auch keinen Zeitdruck. Man könne zur Not noch bis Weihnachten überlegen, heißt es bei den Christdemokraten. Die Wahl ist am 12. Februar.

Auch verweist man in der Union darauf, dass Gabriel Steinmeier ja nicht förmlich zum Kandidaten ausgerufen habe. Der Sozialdemokrat habe nur und wohl absichtsvoll gesagt, dass Steinmeier der populärste deutsche Politiker und sehr geeignet sei. Und das sei ja objektiv nicht einmal falsch. Keinesfalls habe der SPD-Mann schon verkündet, Steinmeier gegen den Willen der Union in einem dritten Wahlgang durchsetzen zu wollen. Außerdem sei zu bezweifeln, dass sich Steinmeier diesem Risiko aussetze.

Die Beobachtungen sind richtig, doch wird Gabriel auf die zu erwartende Frage, wie festgelegt er schon ist, Merkel beim nächsten Gipfel der drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD am 7. November antworten, was er auch öffentlich sagt: Er sei ganz offen für eine gemeinsame Lösung, wenn sie einen besseren Kandidaten vorschlage. Und hier liegt das große Poker-Problem der Kanzlerin. Sie hat niemanden und kann allmählich auch nicht mehr bluffen. Sie hat nichts auf der Hand.

Norbert Lammert, ein möglicher Konsenskandidat der großen Koalition mit CDU-Parteibuch, hat quasi öffentlich abgesagt, als er erklärte, aus Altersgründen nicht wieder für den Bundestag zu kandidierten. Und Wolfgang Schäuble (CDU) wäre mit 74 nicht nur fast genauso alt wie der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck, er will dem Vernehmen nach zudem nur antreten, wenn seine Mehrheit gesichert ist. Ist sie aber nicht. Bei einer Kampfabstimmung hätte Steinmeier im dritten Wahlgang die besseren Siegchancen, obwohl Teile der Linken ihn nicht unterstützen. Denn er bekäme wahrscheinlich außer von SPD und Grünen auch viele Stimmen der FDP und sogar aus dem Unionslager.

In der CDU wird deshalb immer noch die Idee beschworen, einen parteipolitisch neutralen Bewerber zu finden, der für alle wählbar ist. Man hofft auf einen "kreativen Einfall" der Kanzlerin. Freilich hofft man das seit Beginn der Kandidatensuche. Etwas verschämt heißt es, es gebe eben "nicht so viele geeignete Leute", vor allem nicht mehr, seit Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle und Altbischof Wolfgang Huber absagten.

Nun spielt der Faktor Zeit eine immer entscheidendere Rolle. Je länger Merkel keine Alternative zu Steinmeier nennt, umso größer werden die Aussichten des Sozialdemokraten. Erstens erhöht die SPD stetig den Druck. Vertreter aus der zweiten Reihe fordern schon ganz offen eine Kandidatur Steinmeiers. Parteivize Olaf Scholz verband das am Sonntag sogar mit einem Angriff auf die Union und Merkel. Steinmeier wünschten sich die meisten Deutschen. "Wer diesen Wunsch aus reiner Parteitaktik missachtet, schadet schnell dem Ansehen der Demokratie", sagte Scholz dem Berliner "Tagesspiegel". Und auch außerhalb der Politik wächst die Unterstützung. In der "Bild am Sonntag" meldeten sich Prominente wie Armin Müller-Stahl, Mario Adorf und Sönke Wortmann pro Bundespräsident Steinmeier zu Wort.

Es könnte am Ende so ausgehen wie 2012, als Angela Merkel zunächst auch Joachim Gauck nicht wollte, den SPD und Grüne präsentiert hatten, aber einlenkte, als sich immer mehr Leute für den einstigen DDR-Bürgerrechtler aussprachen. Auch damals hatte sie nichts auf der Poker-Hand und wollte nicht als die große Verliererin vom Tisch gehen.