Ist die Hartz-Sperre wasserdicht?
Jurist bezweifelt Vereinbarkeit mit europäischem Recht.
Berlin. Die Bundesregierung will darin „keine politische Botschaft“ sehen, die Opposition spricht von einem verheerenden europapolitischen Signal. Die Rede ist von einer neuen Regelung: Sie sieht vor, dass Zuwanderer aus dem europäischen Ausland, die zur Jobsuche nach Deutschland kommen, keinen Anspruch auf sofortige Unterstützung haben.
Gestrichen wurde für die Betroffenen der Leistungsanspruch auf Grundsicherung vom ersten Tag an. Damit soll verhindert werden, dass Menschen sich erst nach ihrer Ankunft auf die Jobsuche machen, aber sofort staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Bisher erhielten sie in dieser Zeit sofort Hartz IV, sofern sie aus einem der 17 Länder stammen, die das Europäische Fürsorgeabkommen unterzeichnet haben. Dazu zählen Griechenland, die Türkei, Spanien und Portugal, nicht aber EU-Länder wie Österreich und Polen.
Hartz IV gibt es für zugewanderte Jobsucher nun frühestens nach drei Monaten. Nach Darstellung der Bundesregierung geht es allein um eine notwendige rechtliche Gleichstellung von Bürgern aus Ländern, die das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) unterschrieben haben, und EU-Ländern. Deutschland stehe zur Freizügigkeit am Arbeitsmarkt, sei an der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte auch weiterhin interessiert. Missbrauch müsse aber ein Riegel vorgeschoben werden.
Das Bundessozialgericht hatte die Bundesregierung 2010 verdonnert, die 2005 ausgesetzten EFA-Bestimmungen wieder in Kraft zu setzen: Also Hartz IV auch an Neuankömmlinge zu zahlen. Durch einen Vorbehalt gegen das EFA-Abkommen setzte die Regierung den Leistungausschluss Ende 2011 aber wieder durch.
Ja: Belgien, Luxemburg, Norwegen, die Türkei und Großbritannien.
Sie befürchten, dass jungen Menschen aus Ländern wie Spanien mit einer überdurchschnittlichen Jugendarbeitslosigkeit nun die Tür vor der Nase zugeschlagen wird — und dass damit „die mühsam geschaffenen Strukturen“ zur Integration von Ausländern hierzulande zerschlagen werden. Bei Verdi heißt es: Deutschland sei mit seinem Rekord-Exportüberschuss auch mitverantwortlich für die hohe Arbeitslosigkeit in anderen Ländern. Das Mindeste sei ein Beitrag zu einer europäischen Beschäftigungspolitik.
Der Fachanwalt für Sozialrecht, Richard Wachmann, bezweifelt das. Er geht davon aus, dass der Vorbehalt mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Die Grundsicherung könne nicht auf Bundesbürger beschränkt werden.