Kabinett beschließt Steuersenkung
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat die von der schwarz-gelben Koalition ab 2013 geplante Steuerentlastung auf den Weg gebracht.
Ungeachtet des Widerstands aus den Ländern sowie der sich verschärfenden Euro-Schuldenkrise billigte das Kabinett am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Abbau der sogenannten kalten Progression.
Die Steuersenkung in zwei Stufen kostet den Staat jährlich rund 6,1 Milliarden Euro. Einen Großteil dieser Summe will der Bund allein schultern. Die Länder sollen eine Kompensation der Einnahmeausfälle erhalten. Die SPD und mehrere Länder hatten angekündigt, die Steuerpläne über den Bundesrat zu blockieren. Sie halten die Entlastungen für unausgewogen und werfen der Koalition vor, sie auf Pump zu finanzieren. Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit.
Schäuble rechnet dennoch mit Zustimmung der Länder. Eine Erhöhung des Grundfreibetrages sei ohnehin verfassungsrechtlich geboten, sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus. Er glaube, dass sich der Bundesrat dem Gesetz nicht wird verschließen können.
Die Steuerpläne sehen eine Anhebung des Grundfreibetrages in den Jahren 2013 und 2014 um insgesamt 350 Euro auf dann 8354 Euro für Ledige pro Jahr vor. Parallel dazu soll - mit Ausnahme der „Reichensteuer“ - der Tarifverlauf so geändert werden, dass die Steuersätze künftig erst bei einem höheren Einkommen greifen. Profitieren sollen vor allem untere und mittlere Einkommen.
Zumindest in diesem Jahr wird der Bund stärker entlastet. Dank der weiter günstigen Konjunktur werde die Neuverschuldung 2011 aller Voraussicht nach unter 20 Milliarden Euro liegen, bestätigten die Haushaltsexperten der Koalition, Norbert Barthle (CDU) und Otto Fricke (FDP). Zuletzt war mit 22 Milliarden Euro gerechnet worden.
Fricke sprach von einer „guten Botschaft angesichts immer neuer Verschuldungsszenarien innerhalb Europas“. Für 2012 hat Schäuble eine Neuverschuldung von 26,1 Milliarden Euro veranschlagt. Die Koalition strebt an, am Ende erneut unter der Planzahl zu bleiben.
Für das Wahljahr 2013 schwört Schäuble angesichts der nachlassenden Konjunktur und anderer Risiken alle Ressorts auf einen strikten Sparkurs ein. Die bisher vorgesehenen Mittel könnten „keine Besitzstände“ darstellen, heißt es laut „Rheinischer Post“ in einem Schreiben von Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer.
Das Phänomen der „kalten Progression“ entsteht, wenn eine Lohnerhöhung gerade einmal den Preisanstieg ausgleicht. Die reale Kaufkraft des Arbeitnehmers steigt dann nicht, er muss aber mehr Steuern zahlen als zuvor. Im Gesetzentwurf heißt es: „Ziel ist es zu verhindern, dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, aufgrund des progressiv ausgestalteten Einkommensteuer- Tarifs zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen.“
Der veränderte Tarifverlauf schlägt zudem bei den Kosten für das Elterngeld zu Buche. Hier sind laut Gesetzentwurf Mehrkosten von voraussichtlich maximal 70 Millionen Euro zu erwarten.
Um der SPD entgegenzukommen, sollen die Steuerentlastungen so ausgestaltet werden, dass ein gut verdienender Facharbeiter stärker entlastet wird als ein Spitzenverdiener, der die sogenannte Reichensteuer zahlt. So soll die „Reichensteuer“ von 45 Prozent wieder ab einem niedrigeren Einkommen greifen - und zwar ab 250 000 Euro für Ledige. Derzeit wird sie bei 250 731 Euro fällig. Damit wird verhindert, dass Top-Verdiener wie alle anderen behandelt werden.
Die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nicolette Kressl, warf der Regierung vor, ihrer Steuersenkungsideologie Vorrang vor einer soliden Finanzpolitik zu geben. Angesichts der auch in den kommenden Jahren hohen Neuverschuldung gebe es keine Spielräume. Hauptprofiteure seien zudem Bezieher hoher Einkommen.
Nach Berechnungen des Berliner Steuerexperten Frank Hechtner würde ein gut bezahlter Facharbeiter, der ein Einkommen von 60 000 Euro versteuern muss, von der Steuersenkung stärker profitieren als ein Spitzenverdiener mit 270 000 Euro. Die Steuerlast des Facharbeiters sinke um etwa 380 Euro, die des Spitzenverdieners um 367 Euro.
Laut Finanzministerium wird ein allein stehender Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttoarbeitslohn von 30 000 Euro ab 2014 jährlich um etwa 150 Euro entlastet. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern mit einem Bruttolohn von 30 000 Euro zahle 164 Euro weniger Steuern. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit 60 000 Euro Jahresbruttoarbeitslohn werde um 301 Euro entlastet.