Kabinett bringt großes Asyl-Gesetzespaket auf den Weg
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung reagiert mit zahlreichen Änderungen und auch Verschärfungen im Asylrecht auf die rasant wachsenden Flüchtlingszahlen.
Das Bundeskabinett brachte ein umfangreiches Gesetzespaket auf den Weg, das im Eiltempo das parlamentarische Verfahren durchlaufen soll. Vorgesehen ist unter anderem ein restriktiverer Kurs gegenüber Schutzsuchenden vom Balkan. Ein Netzwerk von Migrationsforschern kritisierte das Paket als enttäuschenden Schnellschuss mit viel Symbolcharakter. Das Kabinett schaffte mit einem Nachtragsetat auch die Voraussetzungen für milliardenschwere Flüchtlingshilfen.
Mit dem Gesetzespaket ist unter anderem geplant, drei weitere Balkan-Länder - Albanien, das Kosovo und Montenegro - als „sichere Herkunftsstaaten“ einzustufen, um Asylbewerber von dort schneller in ihre Heimat zurückzuschicken.
Schutzsuchende sollen künftig deutlicher länger als bislang in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. Die Auszahlung von Geld soll nur einen Monat im Voraus möglich sein. In bestimmten Fällen sind auch deutliche Leistungskürzungen vorgesehen.
Durch den Abbau bürokratischer Hürden soll die Einrichtung neuer Asylunterkünfte einfacher werden. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollen Zugang zu Integrationskursen bekommen.
Hilfsorganisationen wie Pro Asyl oder Amnesty International halten die Pläne für fragwürdig und in Teilen für menschenrechtswidrig. Auch der Rat für Migration, ein Zusammenschluss von mehr als 100 Wissenschaftlern, kritisierte das Paket heftig. Der Vorsitzende des Netzwerks, der Ethnologe Werner Schiffauer, sagte: „Die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung enttäuschen. Sie sind ein Schnellschuss.“ Der restriktive Kurs der vergangenen Jahre und Jahrzehnte in der Flüchtlingspolitik werde fortgesetzt.
Die Wissenschaftler prangerten unter anderem an, die Einstufung von „sicheren Herkunftsstaaten“ beschleunige die Asylverfahren so gut wie gar nicht. Der Fokus auf Sachleistungen bringe neuen Verwaltungsaufwand. Es gebe auch keinen Nachweis, dass dieser Schritt potenzielle Asylbewerber abschrecke. Die Pläne seien überwiegend wirkungslos. Auch die Zentralisierung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen sei der völlig falsche Weg.
Das Klima in diesen Gemeinschaftsunterkünften sei überfüllt, laut und aggressiv, sagte Schiffauer. „Familien werden verrückt in diesen Einrichtungen.“ Wenn Flüchtlinge dort nun bis zu sechs Monate bleiben müssten, werde das neue Konflikte schaffen.
Die Regierung will die Pläne beschleunigt durch Bundestag und Bundesrat bringen. Das Parlament soll schon am Donnerstag erstmals darüber beraten und die Länderkammer möglichst Mitte Oktober entscheiden, damit das Paket Anfang November in Kraft treten kann.
Das Kabinett brachte außerdem einen Nachtragsetat auf den Weg, um damit ein Milliarden-Polster zur Finanzierung der Flüchtlingskrise in den kommenden Jahren zu schaffen. Der Bund hat Ländern und Kommunen zugesagt, sich dauerhaft an den Kosten für die Flüchtlingsversorgung zu beteiligen. Die Länder können im laufenden Jahr mit zwei Milliarden und 2016 mit etwa vier Milliarden Euro vom Bund rechnen.