Kampf gegen Steuerbetrug: Barroso fordert konkrete Schritte

Straßburg (dpa) — EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat von den EU-Regierungen konkrete Schritte im Kampf gegen Steuerbetrug angemahnt. Die Regierungen sollten bis 2015 einen automatischen Informationsaustausch über alle Arten von Einkommen vereinbaren.

Er werde auf dem Gipfel an diesem Mittwoch den Regierungen „eine politische Verpflichtung abringen“ sagte Barroso vor dem EU-Parlament. Die Kommission will dazu einen Vorschlag vorlegen. So sollen nicht nur Zinseinkünfte aus Spareinlagen erfasst werden, sondern auch Einkommen aus Arbeit, Renten, Versicherungspolicen, Dividenden und Kapitalerträgen.

Auch die EU-Parlamentarier drangen auf schnelles Handeln. Der Vorsitzende der Liberalen, Guy Verhofstadt, fragte nach dem Sinn eines Gipfeltreffens, das auf zwei Stunden beschränkt sei. Die zu erwartenden Schlussfolgerungen des Gipfels habe der Europäische Rat bereits 2010 und 2011 verabschiedet. Stattdessen plädierte er für konkrete Gesetze der Finanzminister. „Eine schwarze Liste der Steueroasen in Europa, Gesetze zur gemeinsamen Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer und Gesetze gegen Steuerhinterziehung.“

Den EU-Staaten entgeht nach Angaben Barrosos jedes Jahr durch Steuerbetrug und —hinterziehung eine Billion Euro. Das ist etwa so viel wie der komplette EU-Haushaltsrahmen 2014 bis 2020.

Zum zweiten Thema des Gipfels, der Energieversorgung, forderte Barroso die Vollendung des Binnenmarktes bis zum kommenden Jahr, „damit die Energiepreise nicht in den Himmel schnellen“. Bis 2020 brauche Europa etwa eine Billion Euro Investitionen im Energiebereich. „Wir müssen unsere Versorgung weiter diversifizieren und eine Ausgewogenheit schaffen zwischen erneuerbaren Energien und der Nutzung von Schiefergas.“ Die USA würden bald zum Exporteur von Erdgas, weil sie soviel Schiefergas förderten. Barroso warnte: „Wenn Europa nicht reagiert, wird seine Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten bis 2035 auf mehr als 80 Prozent anwachsen.“

In Brüssel haben die Europaminister der 27 EU-Staaten unterdessen Gespräche über die umstrittene Finanzplanung der Union für die Jahre 2014 bis 2020 begonnen. Sie wollten auch die Beratungen des EU-Gipfels über eine Verschärfung des Kampfes gegen Steuerhinterziehung vorbereiten. Der irische Außenminister Eamon Gilmore, derzeit Präsident des Ministerrates, sagte, internationale Steuerschlupflöcher müssten geschlossen werden.

Im Streit um die Finanzplanung werden keine Entscheidungen erwartet, da Verhandlungen mit dem Europaparlament laufen. Das Parlament verweigert die Zustimmung zu der im Februar von den Staats- und Regierungschefs beschlossenen Finanzplanung. Sie fordert Änderungen an der Ausgaben-Obergrenze von 997 Milliarden Euro. Außerdem will das Parlament auch eine Einigung über einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr 2013 in Höhe von 11,2 Milliarden Euro erzwingen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich bisher zu Nachtragszahlungen von 7,3 Milliarden Euro bereit gezeigt.