Wegbereiter der EU Kanzler der Einheit: Helmut Kohl ist tot
Berlin (dpa) - Er hat die Bundesrepublik geprägt wie sonst nur sehr wenige: Helmut Kohl, Kanzler der deutschen Einheit und Wegbereiter der Europäischen Union, ist tot.
Der langjährige CDU-Vorsitzende starb am Freitag im Alter von Jahren am 87 Jahren, wie sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte.
Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet. Den Angaben der Zeitung zufolge starb Kohl am Morgen in seinem Haus in Ludwigshafen. Wenige Minuten nach Bekanntwerden der Todesnachricht am Nachmittag bekundeten Politiker aus aller Welt ihre Betroffenheit. Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb auf Twitter: „In tiefer Trauer um einen großen Deutschen und einen großen Europäer“.
Kohl regierte von 1982 bis 1998 als Bundeskanzler - 16 Jahre, so lange wie bisher niemand vor und nach ihm. Er war treibende Kraft für die EU und eine gemeinsame Währung. Als sein größter Erfolg gilt aber die deutsche Wiedervereinigung.
Seit einem Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 war Kohl schwer krank, saß im Rollstuhl und konnte nur schwer sprechen. 2015 hatte sich sein Zustand deutlich verschlechtert. Nach Operationen lag er monatelang im Krankenhaus. Kohl kehrte wieder in sein Haus in Ludwigshafen-Oggersheim zurück, wo er zuletzt im April 2016 noch Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban empfing.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhielt die Nachricht von Kohls Tod während einer Reise nach Rom. Merkel änderte ihr Besuchsprogramm und will sich am Freitagabend in der Residenz der deutschen Botschafterin öffentlich äußern. Merkel war für eine Privataudienz bei Papst Franziskus am Samstag nach Rom geflogen.
Kohl erkannte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989, dass das Fenster für die deutsche Einheit nur kurz geöffnet sein würde. Unter Hochdruck handelte er mit den Staats- und Regierungschefs der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs sowie den Verantwortlichen der Europäischen Union die Modalitäten dafür aus.
Der CDU-Politiker war ein Mann der politischen Rekorde: Von 1973 bis 1998 war er Parteichef - eine 25-jährige Amtszeit dürfte in der Partei nur schwer noch einmal zu erreichen sein. Merkel führt die Christdemokraten seit 17 Jahren.
Kohl war Anfang der 90er Jahre Merkels Ziehvater in Bundesregierung und Partei gewesen. Aber sie war es, die Ende der 90er Jahre als damalige CDU-Generalsekretärin die Partei wegen der Spendenaffäre, in die Kohl maßgeblich verwickelt war, zur Loslösung vom CDU-Übervater aufforderte. Das Verhältnis der beiden blieb bis zuletzt erschüttert.
Mehr als 40 Jahre war der geborene Ludwigshafener Parlamentarier, zuerst im Mainzer Landtag und von 1976 an im Bundestag. Sieben Jahre - von 1969 bis 1976 - war Kohl Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.
1960 heiratete er die Dolmetscherin Hannelore Renner. Das Ehepaar bekam zwei Söhne, Walter und Peter. 2001 nahm sich Hannelore Kohl, die an einer schmerzhaften Lichtallergie litt, das Leben. Sieben Jahre später schloss Kohl seine zweite Ehe mit der 34 Jahre jüngeren Regierungsdirektorin Maike Richter.
Die CSU schrieb am Abend auf Twitter zum Tod des langjährigen Vorsitzenden ihrer Schwesterpartei CDU: „Helmut Kohl war ein großer Staatsmann, seine Verdienste um unser Land sind unschätzbar.“
Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz würdigte Kohl als „großen Europäer“ und „großen Staatsmann“. Er habe „historische Weichen für Deutschland und Europa gestellt und sich Verdienste erworben, die Bestand haben und nicht vergessen werden“.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer, der sehr viel dafür getan hat, dass nicht nur die Deutsche Einheit gekommen ist, sondern auch dass Europa zusammengewachsen ist. Das ist sein großes Vermächtnis.“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb: „Als die Berliner Mauer fiel, war er der Lage gewachsen. Ein wahrer Europäer.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker teilte mit: „In Gedenken an Helmut Kohl habe ich die Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf Halbmast setzen lassen.“
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte „tiefe Trauer“ über den Tod Kohls. Dieser sei „einer der größten Freunde des Staates Israel“ und der Sicherheit des jüdischen Staates „vollkommen verpflichtet“ gewesen.
Der frühere US-Präsident George H. W. Bush würdigte Kohl als „wahren Freund der Freiheit“. „Er ist der Mann, den ich als einen der größten politischen Führungsfiguren im Nachkriegseuropa ansehe“, heißt es in einem Statement von Bush, das sein Büro am Freitag verbreitete. Bush war einer der US-Präsidenten, die während Kohls Amtszeit im Weißen Haus waren. Beide Politiker gelten als Väter der Deutschen Einheit.