Kanzlerin Merkel für stärkere EU
Berlin (dpa) - Europa kann nach Überzeugung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirtschaftlich gestärkt aus der Schuldenkrise hervorgehen. Statt auf eine selbstständige Wirtschaftsregierung der Euro-Länder setzt Merkel aber vor allem auf engere Absprachen der nationalen Regierungen.
Die Risiken für die Steuerzahler sollten möglichst gering bleiben. Angesichts schlechter Umfragewerte für die schwarz-gelbe Koalition will die CDU-Vorsitzende mit Sacharbeit überzeugen. Indirekt kündigte sie an, bei der Bundestagswahl 2013 wieder anzutreten. Aus der Opposition kam Kritik.
„Ich will, dass Europa stärker aus der Krise herauskommt, als es hineingegangen ist“, sagte die Kanzlerin in einer Zwischenbilanz zur Halbzeit der Legislaturperiode am Freitag in Berlin. Der Euro-Gipfel für ein neues Griechenland-Hilfspaket habe „gute und bedeutende Ergebnisse“ gebracht. Merkel verteidigte die Anstrengungen für die gemeinsame Währung: „Es ist unsere historische Aufgabe, den Euro zu schützen.“ Sie hoffe, dass es für die deutschen Steuerzahler am Ende wenig Ausfälle geben werde. „Aber die Bilanz wird man erst am Ende ziehen können.“
Merkel verteidigte, warum sie von Maximalforderungen nach Euro- Bonds oder einer EU-Transferunion nichts halte: „Menschlich ist diese Sehnsucht nach dem spektakulären Paukenschlag sicherlich zu verstehen, politisch ist sie fahrlässig.“ Nötig sei „ein kontrollierter, ein beherrschter Prozess aufeinanderfolgender Schritte“. Im Kern gehe es um eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und einen Kampf gegen die Verschuldung.
„Das Allerwichtigste ist jetzt, dass Griechenland sein Programm umsetzt“, sagte Merkel. Es gebe dort noch viel staatlichen Besitz, der privatisiert werden könne. Auch Portugal und Irland seien auf gutem Reformweg. Finanztransfers in Europa seien zwar seit langem an der Tagesordnung. „Eine Transferunion wäre ein automatischer Finanzausgleich in Europa - und diesen darf es nach meiner Überzeugung nicht geben“, betonte sie aber.
Als Modell zur weiteren Angleichung etwa der Wirtschaftspolitik in den Euro-Staaten sieht Merkel vor allem engere Vereinbarungen der Regierungen. „Dieser Prozess wird sich intensivieren.“ Die nationalen Parlamente müssten aber entscheiden. Zwar seien auch Änderungen der EU-Verträge künftig möglich. „Wenn ich etwas verändere, muss ich dafür auch eine Durchgriffsqualität Europas haben“, sagte sie aber. Es gebe keinen EU-Finanzminister, auch das Bundesverfassungsgericht habe der Abgabe nationaler Souveränität Grenzen gesetzt.
Im Bundestag steht das zweite Rettungspaket für Griechenland in der zweiten Septemberhälfte zur Abstimmung an. Skeptisch beurteilte Merkel das Angebot der SPD zur Zusammenarbeit. Zuletzt habe die SPD sich nicht beteiligt. Dies könne sich aber ändern. „Insofern bin ich bereit zu dieser Zusammenarbeit.“ Eindringlich warnte die Kanzlerin vor leichtfertigen Diskussionen über eine Umschuldung Griechenlands. Die sei in einem Währungsraum „ein Wagnis“ und „nirgends erprobt“.
Merkel nannte die Überwindung der Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik beispielhaft. „Deutschland hat die Krise hinter sich gelassen und steht besser da als zuvor.“ Sie verwies zudem auf „umfangreiche Strukturreformen“ wie bei der Bundeswehr oder die Energiewende. „Deutschland geht es so gut wie lange nicht.“
Durch positive Wirtschaftsdaten und schnellere Etatkonsolidierung „erarbeiten wir uns Spielraum für maßvolle Steuerentlastungen“ zum 1. Januar 2013, bekräftigte Merkel. Auf die Frage, ob angesichts der geringen Spielräume die FDP auch mit einer begrenzten Entlastung zufrieden sein werde, sagte Merkel, auch der Koalitionspartner kenne alle Daten. „Es wird mit der FDP gehen.“
Dass die Koalition in Umfragen nicht aus dem Keller kommt, führte Merkel auch auf Sorgen wegen der Eurokrise zurück. Sie zeigte sich aber „sehr optimistisch“, dass die positive Entwicklung des Landes und die Bewertung der Regierung zusammengebracht werden könnten. Gefragt, ob sie bei der Bundestagswahl 2013 erneut kandidieren werde, sagte Merkel: „Wie Sie sehen, macht mir meine Arbeit Spaß. Und es ist nicht abzusehen, dass sich das kurzfristig ändert.“
Aus Sicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ist die schwarz-gelbe Koalition „zur Halbzeit der Wahlperiode schon am Ende“. Er hielt der Kanzlerin in der „Bild am Sonntag“ vor: „25 Prozent der Beschäftigten sind vom Aufschwung abgekoppelt, acht Millionen Arbeitnehmer leben trotz Arbeit in Armut.“ Und auch die anderen drängenden Aufgaben blieben unerledigt, „weil CDU/CSU und FDP seit zwei Jahren nur streiten statt zu regieren“.
Grünen-Chefin Claudia Roth hielt der Kanzlerin vor, sich für einen „einzigartigen Schlingerkurs“ zu rühmen. „Die erstaunliche Leistung der schwarz-gelben Bundesregierung ist ihre Dreistigkeit, mit der sie Halbherzigkeiten, endlose Trippelschritte und programmatisches Hü und Hott als erfolgreiche Arbeit zu verkaufen versucht.“
Die Kanzlerin bekräftigte, dass sie in dieser Legislaturperiode nicht an die Einführung einer Pkw-Maut denke, um die Modernisierung der Straßen zu finanzieren. „Zu meinen Projekten gehört sie nicht.“ CSU-Chef Horst Seehofer macht sich seit Monaten dafür stark.