Klagenflut auf Schadenersatz wegen AKW-Aus ?

Stuttgart/Freiburg (dpa). Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Peter Hauk hat vor den Folgen einer raschen, endgültigen Stilllegung der abgeschalteten Atomkraftwerke gewarnt. „Ich glaube, dass ohne Vereinbarung mit den Energieversorgern keine Fakten zu schaffen sind, sonst rollt eine riesige Schadensersatzlawine auf alle Beteiligten zu“, sagte Hauk am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart.

Der CDU-Politiker ging damit auf Distanz zur Forderung der Bundes-FDP, die acht Meiler nie wieder ans Netz gehen zu lassen. Hauk sprach sich dafür aus, das Ergebnis der Prüfung während der vorübergehenden Stillegung abzuwarten. „Ein solches Moratorium muss zwingend ergebnisoffen sein.“

Ein schnellerer Atomausstieg ist aus seiner Sicht nur über höhere Anforderungen an die Sicherheit der Meiler zu erreichen. „Die Kraftwerke haben eine Betriebsgenehmigung, deshalb wird es nur über Sicherheitsauflagen zu lösen sein“, erklärte der Fraktionschef. Wenn man während des Moratoriums zu dem Ergebnis komme, dass das Restrisiko nicht beherrschbar ist, würden Kraftwerke mit Sicherheit abgeschaltet. „Oder es kommt wie bei Neckarwestheim I, dass die Investitionen in Sicherheit so teuer sind, dass ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich ist.“

Nach Hauks Ansicht muss die Entscheidung über die Laufzeiten der Reaktoren auch von der Frage abhängen: „Stehen denn für Grund- und Spitzenlast Alternativen zur Verfügung?“ Deutschland exportiere zwar auch Strom, „aber nicht in den Spitzenzeiten morgens um 9.00 Uhr und mittags um 12.00 Uhr. Da importieren wir kräftig. Es wäre heuchlerisch, unsere Meiler abzuschalten und dann für diese Spitzenlast-Zeiten Atomstrom aus dem Ausland zu importieren.“

Deshalb müsse sich die Politik nun folgende Fragen stellen: „Wie kann man die Atomkraft so schnell wie möglich ersetzen? Wo können wir am schnellsten Zubau schaffen?“ Hauk zeigte sich skeptisch, dass die Kernkraft durch Windräder ersetzt werden kann: „Wir sind nicht gegen Windkraft in Baden-Württemberg, aber es ist nun einmal so, dass die Rotoren an der Nordsee viermal mehr Strom erzeugen als bei uns.“

Der CDU-Politiker fügte hinzu: „Um die notwendigen Voraussetzungen für Stromspeicher zu haben, plädieren wir dafür, Pumpspeicherkraftwerke im Land zu bauen.“ Außerdem müssten dezentrale Blockheizkraftwerke ausgebaut und Stromleitungstrassen errichtet werden. Die Grünen mit dem voraussichtlich künftigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann müssten ihren Widerstand gegen solche Projekte aufgeben. „Wenn Kretschmann diese Vorschläge aufgreift, ist schon viel geschafft.“

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält die Stilllegung älterer deutscher Atomkraftmeiler für illegal. Die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen - darunter Baden-Württemberg - hätten „offensichtlich keine Rechtsgrundlage für das Moratorium“, sagte Papier der „Badischen Zeitung“ (Mittwoch). Das seien „illegale Maßnahmen“.

Die AKW-Betreiber hätten gute Erfolgsaussichten für eine Klage gegen die Stilllegung der Alt-Reaktoren, die nach dem Unglück im japanischen Fukushima für drei Monate beschlossen worden war. Nach der Argumentation der Bundesregierung müsste für das Abschalten der Meiler ein rechtswidriger Zustand oder eine akute Gefährdung vorliegen, sagte Papier. „Beides hat die Regierung bisher nicht einmal behauptet.“

Auch den von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) angeführten „Gefahrenverdacht“ sehe er nicht. Der Gesetzgeber müsse das Atomgesetz ändern, um das Moratorium auf juristisch sichere Füße zu stellen. „Ich wundere mich, warum die Bundesregierung diesen rechtsstaatlich gebotenen Weg nicht geht.“

Sollte eine Klage der AKW-Betreiber Erfolg haben, könnten den Energiekonzernen Schadenersatz zustehen. Der heute 67-jährige Papier war von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.