Kluft zwischen Arm und Reich ist gewachsen
Regierung betont die Chancen des sozialen Aufstiegs. Für die Opposition frisiert der Bericht die Wirklichkeit.
Berlin. Trotz insgesamt guter Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist die Kluft zwischen Vermögenden und Mittellosen in Deutschland weiter gewachsen. Das geht aus dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht hervor, der koalitionsintern stark umstritten war. Das Bundeskabinett billigte ihn am Mittwoch nach monatelanger Diskussion.
Demnach verfügen die reichsten zehn Prozent der Haushalte über 53 Prozent des gesamten Nettovermögens (Stand: 2008). 2003 waren es 49 Prozent. Die gesamte untere Hälfte der Haushalte besitzt dagegen nur gut ein Prozent — nach drei Prozent im Jahr 2003. Von Armut bedroht sind unverändert zwischen 14 und 16 Prozent der Bundesbürger.
Der Report trägt den Titel „Lebenslagen in Deutschland“ und erscheint zum vierten Mal. Als erfreulich hebt er hervor, dass die Einkommen sich seit 2005 positiv entwickelt hätten. Zugleich nahmen aber Niedriglohnsektor und atypische Beschäftigung wie Leih- und Zeitarbeit oder befristete Jobs weiter zu.
Gestrichen wurde der Satz aus der Einleitung „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“. Jetzt bezieht er sich nur noch auf Ost- und Westdeutschland. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel handelt es sich um einen bislang einmaligen Vorgang: „Nie zuvor hat eine Bundesregierung einen Bericht so dreist gefälscht.“
Nach den Worten von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss sich Deutschland mit den Erfolgen im Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit nicht verstecken.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, dass es Deutschland so gut gehe wie schon lange nicht mehr. Grünen-Chef Cem Özdemir sprach sich dafür aus, den Bericht künftig von unabhängigen Experten erstellen zu lassen.