Koalition erleichtert flexiblen Übergang in Rente
Berlin (dpa) - Union und SPD wollen Arbeitnehmern in Deutschland fließende Übergänge in die Rente spürbar erleichtern. Wer bereits mit 63 in Teilrente geht, soll mehr vom Zuverdienst behalten können.
Zudem soll es attraktiver werden, nach Erreichen des regulären Rentenalters zusätzlich zur Rente etwa in Teilzeit weiterzuarbeiten. Arbeitgeber und Gewerkschaften reagierten enttäuscht auf den Durchbruch nach mehr als einjährigen Verhandlungen zur „Flexi-Rente“.
„Ziel soll es sein, Menschen zu ermutigen, länger im Beruf zu bleiben“, sagte der CDU-Sozialexperte Karl Schiewerling am Dienstag in Berlin. Die SPD-Fachpolitikerin Katja Mast betonte, durch eine Stärkung von Reha und Prävention werde länger gute Arbeit ermöglicht.
Bei der Teilrente mit 63 wird die Rente ab einer Zuverdienstgrenze von 450 Euro heute stark gekürzt. Je nach Verdiensthöhe sinkt sie auf auf bis zu ein Drittel der Vollrente. Solche Stufen sollen entfallen. Stattdessen soll oberhalb von 450 Euro 40 Prozent des Zuverdiensts von der Rente abgezogen werden. Vergangenes Jahr waren von den mehr als 800 000 Zugängen in die Altersrente nur 2176 Teilrentner.
Auch das Arbeiten über die Altersgrenze von derzeit 65 Jahren und vier Monaten hinaus soll sich stärker auszahlen können. Dafür sollen die Arbeitnehmer Rentenbeiträge zahlen können, die dann zu einer Steigerung der Rente führen. Heute zahlen Arbeitgeber bei Beschäftigung eines Rentners den Arbeitgeberanteil, ohne dass sich das für den Betroffenen rentensteigernd auswirkt.
Zudem werden Unternehmen entlastet, wenn sie Menschen übers Rentenalter hinaus beschäftigten. Bisher müssten sie 1,5 Prozent des Lohns in die Arbeitslosenversicherung einzahlen - das soll entfallen.
Die Kosten des Pakets sollen anfangs rund 300 Millionen Euro zulasten der Rentenkasse betragen, wenn 100 000 Menschen die Möglichkeiten zur Teilrente nutzen. Der Arbeitslosenversicherung sollen 80 Millionen Euro pro Jahr entgehen. Schiewerling sagte, er hoffe auf ein zügiges Gesetzgebungsverfahren und ein Inkrafttreten im Juli 2016.
Um Arbeitnehmer länger für den Arbeitsmarkt zu erhalten, soll Reha und Vorbeugung gestärkt werden. So sollen Versicherte freiwillig Gesundheitschecks im Alter von 45 Jahren in Anspruch nehmen können.
Langzeitarbeitslose sollen nicht mehr unbedingt gegen ihren Willen in Frührente geschickt werden. Bisher konnten Betroffene vorzeitig und deshalb mit Abschlägen in Rente geschickt werden, auch wenn sie dadurch dauerhaft auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind.
Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß lobte, nicht nur das „Länger-arbeiten-Wollen“, sondern auch das „Länger-arbeiten-Können“ komme in den Blick. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann nannte die Übereinkunft ein „wichtiges Signal für längeres Arbeiten“.
Die Arbeitgebervereinigung BDA kritisierte: „Die Fehlanreize der abschlagsfreien „Rente ab 63“ werden nicht annähernd kompensiert.“ Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall , Oliver Zander, begrüßte den Kompromiss. Die Wirtschaft sei auf ältere Beschäftigte angewiesen.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte, der Wegfall des Arbeitslosenbeitrags für arbeitende Rentner „ebnet den Weg für einen Billigarbeitsmarkt“ für Betroffene. IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban bemängelte: „Gleichzeitig fehlen im Vorschlag von Union und SPD echte Übergangsoptionen für diejenigen, die nicht bis zum Rentenalter von künftig 67 Jahren durchhalten können.“ Die Deutsche Rentenversicherung mahnte eine Klärung vieler Detailfragen und ausreichend Vorlauf für die Umsetzung der Vorschläge an.