Koalition findet Kompromiss beim Rentenpaket
Berlin (dpa) - Die schwarz-rote Koalition hat nach langem Streit den Weg für ihr milliardenteures Rentenpaket frei gemacht. Vier Tage vor der Bundestags-Abstimmung einigten sich die Fraktionsspitzen von CDU/CSU und SPD auf Regeln, die eine Frühverrentungswelle bei der Rente mit 63 vermeiden sollen.
Vom Wirtschaftsflügel und von jungen Abgeordneten der Union, die starke Vorbehalte deutlich gemacht hatten, kamen aufgeschlossene Signale. Die Opposition nannte den Kompromiss ungerecht und meldete Zweifel an der Finanzierung an.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte in Berlin, das Paket solle nun pünktlich zum 1. Juli in Kraft treten. „Über zehn Millionen Frauen und Männer werden davon profitieren.“ Vorgesehen sind eine abschlagfreie Rente ab 63 sowie Verbesserungen für ältere Mütter, bei der Erwerbsminderungsrente und bei Reha-Leistungen. Das Paket kostet pro Jahr zwischen 9 und 11 Milliarden Euro und wird aus der Rentenkasse bezahlt. Geschaffen werden soll zudem größere Flexibilität, wenn ältere Arbeitnehmer länger arbeiten wollen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, bei Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, werde wie geplant ein zusätzliches Jahr in der Rentenversicherung berücksichtigt. Mit 63 sollen Menschen ohne Abstriche in Rente gehen können, die 45 Jahre Beitragszahlung nachweisen können. Hat jemand währenddessen Arbeitslosengeld I erhalten, sollen diese Zeiten laut Kompromiss voll angerechnet werden. Dies gilt aber nicht für Zeiten mit Hartz-IV-Bezug (Arbeitslosengeld II).
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, eine befürchtete Welle von früheren Renteneintritten etwa mit 61 Jahren solle durch einen „rollierenden Stichtag“ ausgeschlossen werden. Demnach sollen jeweils zwei Jahre vor Eintritt in die Rente Arbeitslosigkeitszeiten nicht berücksichtigt werden. Sie hob hervor, dass auch Zeiten freiwilliger Beitragszahlung angerechnet werden sollen. Voraussetzung sei zudem, dass 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Dies betreffe vor allem Handwerker, die sich selbstständig gemacht hätten.
Die Koalition einigte sich zudem auf eine vom Unions-Mittelstand vorgeschlagene „Flexirente“: Ältere sollen so nach Erreichen der Regelaltersgrenze auch mit befristeten Verträgen weiter beschäftigt werden können.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, die Koalitionäre seien sich einig, dass ab 2018 der Steuerzuschuss für die Rente in Stufen erhöht werden solle. „Mit dieser Rentenreform werden die Lebensleistungen von Müttern und von langjährig Beschäftigten anerkannt.“ Er sei ganz sicher, dass die Koalition das Paket in großer Geschlossenheit durch den Bundestag bringen werde.
Dem Vernehmen nach dürfte am Freitag auf Antrag der Opposition über die einzelnen Teile des Pakets getrennt abgestimmt werden. Einen solchen Antrag könne die Koalitionsmehrheit nicht ablehnen, hieß es. Damit dürfte es spannend werden, ob es aus der Union eine größere Zahl von Nein-Stimmen wegen der Rente mit 63 gibt.
Der Vorsitzende der Unions-Mittelständler, Christian von Stetten (CDU), äußerte sich als einer der schärfsten Kritiker verhalten positiv. „Auf den ersten Blick ist man uns ein großes Stück entgegen gekommen. Jetzt müssen wir uns die Details anschauen und dann entscheiden, ob wir zustimmen können.“ Der junge CDU-Abgeordnete Jens Spahn sagte, auch wenn die Rente mit 63 grundsätzlich ein falsches Signal bleibe, werde er dem Paket mit den erreichten Änderungen zustimmen. Im Vorstand der Unionsfraktion wurde der Kompromiss nach Teilnehmerangaben insgesamt wohlwollend aufgenommen - bekannte Kritiker legten sich aber vorerst noch nicht fest.
Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae kritisierte: „Das Rentenpaket ist nicht seriös finanziert, es verschärft die Altersarmut, weil das Rentenniveau noch stärker sinken wird, und es verschiebt die Kosten auf die nächsten Generationen.“ Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias Birkwald, forderte, alle Zeiten der Arbeitslosigkeit anzuerkennen und das Renteneintrittsalter für besonders langjährig Versicherte nicht auf 65 Jahre steigen zu lassen. „Das wäre ein erster Schritt zu mehr Gerechtigkeit.“