Zeuge: Ermittler observierten Kurierdienste für den NSU
München (dpa) - Die Sicherheitsbehörden sollen dem untergetauchten NSU-Trio im Jahr 1998 dicht auf der Spur gewesen sein. Dies ergab sich am Montag aus den Aussagen eines Zeugen, der als Kurier für die Neonazi-Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ arbeitete.
Dessen Angaben vor dem Oberlandesgericht München legten zudem nahe, dass die Gesuchten vorübergehend in der Schweiz waren.
Der Zeuge sagte, er habe Uwe Böhnhardt bereits 1998 für einen „Rechtsterroristen“ gehalten. Bei zwei Kurierfahrten habe er Gegenstände übergeben. Wegen eines „merkwürdigen Gefühls“ habe er seine Kuriertätigkeit dann beendet.
Ralf Wohlleben, der als Unterstützer im NSU-Prozess einer der Angeklagten ist, habe ihn jeweils aufgefordert, zu einer festgelegten Zeit eine anrufbare Telefonzelle in Jena aufzusuchen, sagte der Zeuge. Da habe es dann geklingelt, und „Uwe“ sei am Apparat gewesen. Er habe nicht immer gewusst, ob der Anrufer Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gewesen sei.
Der Richter zitierte aus Ermittlungsakten, aus denen hervorgeht, dass die Telefonzelle überwacht worden und einer der Anrufe aus der Schweiz gekommen war. Bei diesem Anruf sei Uwe Mundlos am Apparat gewesen, sagte der Zeuge. Die nächsten Anrufe wurden wieder von Telefonzellen in Deutschland geführt.
Beim ersten Transport habe „Uwe“ ihn angewiesen, mit dem Auto auf den Parkplatz eines Fast-Food-Restaurants an der Autobahn 4 bei Zwickau zu fahren und dort zu warten. Nach wenigen Minuten sei ein Mann in einem türkisfarbenen Opel Corsa erschienen, habe sein Auto verlassen und sei auf ihn zugegangen. „Ich bin ganz kurz ausgestiegen, habe ihm die Tüte aus dem Kofferraum gegeben - das war's.“ Dass seine Tour von der Polizei observiert wurde, habe er nicht bemerkt. Erst als er nach dem Auffliegen des NSU-Trios beim Landeskriminalamt Thüringen vernommen wurde, hätten ihm Beamte davon berichtet und Fotos gezeigt.
Ein unbekannter Mann war es demnach auch, der die zweite Lieferung des Kuriers entgegengenommen hatte. Bei dieser Übergabe in der Ruine einer alten Brauerei in Jena habe er kein gutes Gefühl gehabt, sagte der Zeuge. Es sei dunkel gewesen, und wegen des Gewichts des Päckchens habe er sich gefragt, ob eine Waffe darin war.
Der Zeuge räumte auch ein, an einem Einbruch in die verlassene Wohnung von Beate Zschäpe in Jena beteiligt gewesen zu sein. Es sei darum gegangen, persönliche Unterlagen für sie zu beschaffen, die sie wegen ihrer Flucht zurückgelassen hatte. Angestiftet habe ihn der mitangeklagte und geständige Helfer Carsten S. Die Aktion wäre beinahe gescheitert, weil ein Polizeiauto mit eingeschaltetem Blaulicht vorbeigefahren sei.
Wohlleben und S. hätten ihn auch gebeten, Exemplare des judenfeindlichen und NS-verherrlichenden „Pogromly“-Spiels zwischenzulagern. Diese Abwandlung des Monopoly-Spiels hätten Böhnhardt und Mundlos in Handarbeit produziert. Die Spiele seien für je 100 D-Mark an Kunden aus der Szene verkauft worden.
Der Zeuge, der nach Erkenntnis der Behörden inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist, schilderte, dass er vor allem mit Uwe Böhnhardt befreundet gewesen sei. Beide hätten im selben Stadtteil in Jena gewohnt, ihre Väter seien Arbeitskollegen gewesen. Er schilderte Böhnhardt als „Waffennarr“.
Mundlos und Böhnhardt werden unter anderem zehn Morde angelastet. Die beiden hatten sich im November 2011 erschossen, um einer Festnahme zu entgehen.