Koalition rückt beim Betreuungsgeld zusammen

Berlin (dpa) - Nach monatelangem koalitionsinternen Streit um das Betreuungsgeld schließen sich im Regierungslager langsam die Reihen. Die Betreuungsgeld-Kritiker aus der CDU hielten sich am Donnerstag bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes im Bundestag auffällig zurück.

Zwei FDP-Parlamentarierinnen zeigten sich noch unsicher, kündigten aber eine genaue Prüfung des Gesetzes an. Gleichwohl hat die FDP bereits signalisiert, aus Koalitionsräson das Betreuungsgeld nicht verhindern zu wollen.

„Auf Schuldenbergen können keine Kinder spielen und erst recht nicht lernen“, merkte kritisch die FDP-Familienpolitikerin Miriam Gruß mit Blick auf die ab 2014 erwarteten Kosten von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr für das Betreuungsgeld an. Wer eine neue „Sozialleistung auf Pump“ einführen wolle, der müsse genau überlegen, ob dies sinnvoll sei.

Gruß, die zuvor in Interviews angedeutet hatte, dem Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen, versprach nunmehr eine genaue Prüfung des Vorhabens. Ähnlich äußerte sich ihre FDP-Parteikollegin Sibylle Laurischk, die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag ist. Die FDP-Politikerin verwies erneut auf verfassungsrechtliche Bedenken und plädierte für ein Gutscheinmodell für die Eltern, die die Betreuung ihrer Kleinkinder selbst organisierten.

Nach dem Gesetzentwurf sollen Eltern, die für ihre ein- und zweijährigen Kinder kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot in einer Kita oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen, ein Betreuungsgeld erhalten. Ab 2013 soll es für die Einjährigen zunächst 100 Euro monatlich geben, ab 2014 dann für die Ein- und Zweijährigen je 150 Euro im Monat. In der Koalition dringt vor allem die CSU auf Einführung des Betreuungsgeldes.

Hart ging die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, mit dem Vorhaben ins Gericht. Es fehle sowohl die gesellschaftliche wie die parlamentarische Mehrheit für das Gesetz, sagte Künast. Aus Angst, die CSU lasse ansonsten die Koalition platzen, ließen sich CDU und FDP auf der Nase herum tanzen und ihre alte Familien-Ideologie wieder aufleben. Wahlfreiheit für Eltern bei der Kinderbetreuung gebe es erst dann, wenn es dem Staat gelinge, die noch fehlenden 200 000 Kita-Plätze zu schaffen.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) warf der Opposition dagegen „Herabwürdigung von Familien mit anderen Wertvorstellungen“ vor. Es sei anmaßend, Familien zu verurteilen, die ihre Kleinkinder selbst betreuen und nicht in eine Kita geben wollten, sagte Schröder. Die Opposition müsse „das Schlachtfeld des ideologischen Kulturkampfes verlassen“. Auch die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Dorothee Bär (CSU), sagte: „Es gibt in Deutschland keine Einheitsfamilie. Deshalb kann es auch nicht ein Einheitsmodell für die Betreuung geben.“

SPD, Grüne und Linke verwiesen dagegen auf die breite Ablehnungsfront, auf die das Vorhaben in der Gesellschaft gestoßen sei - von den Gewerkschaften und Arbeitgebern über viele kirchliche Organisationen und Sozialverbände bis hin zur Landfrauen-Vereinigung. Die SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler sagte: „Doch statt eines Lernprozesses macht die Koalition jetzt nur kurzen Prozess.“

Überraschend wurde in der Debatte bekannt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die für das Betreuungsgeld im Startjahr 2013 benötigten 400 Millionen Euro durch eine globale Minderausgabe aller Ressorts erwirtschaften will, also durch pauschale Einsparungen in allen Bundesministerien. Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix (SPD) sagte, damit gehe das ungeliebte Betreuungsgeld auch zulasten der Straßenprojekte von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).

Für die Linke sagte Ralph Lenkert, die Koalition wolle mit dem „Silberling Betreuungsgeld“ nur von den fehlenden Betreuungsplätzen in den Kommunen ablenken. Das für das Betreuungsgeld vorgesehene Geld sollte besser in den Kita-Ausbau und in die Qualität der frühkindlichen Bildung investiert werden.