Urteil gegen Beschneidung: Eingriff in Religionsfreiheit?
Vertreter religiöser Gruppen kritisieren Kölner Urteil gegen Beschneidung.
Köln. Eingriff in die Religionsfreiheit oder Schutz vor Körperverletzung: Das Urteil des Kölner Landgerichts gegen die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen hat heftige Kritik von Juden, Muslimen, Katholiken und Evangelischer Kirche ausgelöst. Der Zentralrat der Muslime nannte die Entscheidung „einen eklatanten Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und in das Elternrecht“. Die Türkische Gemeinde in Deutschland warnte vor einem „Beschneidungstourismus“ in Länder, in denen solche Eingriffe nicht bestraft werden.
Nach Ansicht der Deutschen Bischofskonferenz gefährdet das Urteil die Religionsfreiheit der Juden und Muslime in Deutschland. Sie kritisierte die Entscheidung als „äußerst befremdlich“ und bezeichnete das Verbot als schwerwiegenden Eingriff in die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern. „Es ist auch nicht einsichtig, weshalb die Beschneidung dem Interesse des Kindes zuwiderlaufen soll, später selbst über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden“, erklärte der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Heinrich Mussinghoff.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland übte Kritik. Die Religionsfreiheit und das elterliche Erziehungsrecht seien unzureichend gegen das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit abgewogen worden, erklärte Hans Ulrich Anke, Präsident des Kirchenamtes der EKD.
Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland sagte zu dem Urteil, es sei ein „massiver Eingriff in die Religionsfreiheit und in das Elternrecht“. Sprecher Ali Kizilkaya kritisierte vor allem, dass die Entscheidung zu Rechtsunsicherheit führe.
Der baden-württembergische Landesvorsitzende der Religionsgemeinschaft des Islam, Ali Demir, sagte, die Knabenbeschneidung sei „ein harmloser Eingriff“ mit einer sehr alten Tradition. Die Entfernung der Vorhaut habe hygienische Vorteile und vermindere Infektionen.
Das Kölner Gericht hatte einen Arzt, der einen muslimischen Jungen beschnitten hatte, zwar freigesprochen — allerdings mit der Begründung, dass der Mediziner von der Strafbarkeit nichts gewusst habe. Tatsächlich müssten religiöse Beschneidungen als „rechtswidrige Körperverletzung“ betrachtet werden, die das Selbstbestimmungsrecht der Kinder verletzten, so das Gericht.