Koalitionspoker der Parteien vor der Wahl

Angesichts der Umfragelage wird auf eine „Ausschließeritis“ verzichtet — um offen zu bleiben.

Berlin. Guido Westerwelle hatte damit zwei Mal Erfolg. 2005 und 2009 ließ er die Spitzengremien der FDP jeweils kurz vor der Bundestagswahl förmlich beschließen, dass eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen für die Liberalen nicht infrage komme. Das Ziel einer schwarz-gelben Zusammenarbeit wurde durch dieses Vorgehen noch glaubhafter zum Ausdruck gebracht, zugleich wurden innerparteiliche Debatten im Keim erstickt. Und Westerwelle hielt sich beide Male an sein Versprechen, selbst als SPD-Kanzler Gerhard Schröder ihm Ministerämter anbot.

Doch jetzt sind die Zeiten für eine derartige „Ausschließeritis“ denkbar schlecht. Nach aktuellem Umfragestand wäre die FDP nicht mehr im Bundestag, Rot-Grün hätte keine Mehrheit, und die Union bräuchte in jedem Fall einen neuen Partner — die SPD oder die Grünen. Die dritte Variante, Rot-Rot-Grün, gilt bei allen Beteiligten als ausgeschlossen.

Die SPD hat ihre Debatte über den Ausschluss einer großen Koalition mit der Union vorläufig beendet. Vorstöße der Basis, dazu einen förmlichen Beschluss zu fassen, wurden vom Spitzenkandidaten Peer Steinbrück allerdings abgewiesen. Er halte nichts davon, anderen Parteien vor Wahlen die Koalitionsfähigkeit abzusprechen. Das bedeute nicht, sich ein Türchen für eine große Koalition offen zu halten. Rot-Grün sei das klare Ziel. Freilich ist bei den Parteilinken das Misstrauen groß. Nach den schlechten Erfahrungen mit der großen Koalition von 2005 bis 2009 — sie dezimierte die SPD auf 23 Prozent — gilt eine Zusammenarbeit mit der Union einer klaren Mehrheit der Sozialdemokraten als die schlechteste aller Varianten, noch hinter der Oppositionsrolle.

Auch bei den Grünen gab es schon Bestrebungen, die ungeliebte Möglichkeit einer schwarz-grünen Zusammenarbeit per Parteitagsvotum definitiv auszuschließen. Einige Basisvertreter forderten das. Es gibt bei den Grünen durchaus welche, die sich eine Zusammenarbeit mit Merkel und Co. vorstellen können, mindestens mal probieren möchten. Der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit etwa gehört dazu. Es blieb auf dem Parteitag bei einem Bekenntnis zu Rot-Grün.

Die FDP wird erst zwei Wochen vor der Wahl, am 12. September, den sogenannten Wahlaufruf beschließen. Das wäre dann der Zeitpunkt, um — wie in den Vorjahren — einem Ampel-Bündnis auch förmlich eine Absage zu erteilen. Verbal hatte Parteichef Philipp Rösler das erst vor wenigen Tagen erneut getan.