Ausschuss Kölner Silvesternacht: Politikerprozession um den Kölner Dom

Der Ausschuss des Landtags, der sich mit der Gewalt in der Silvesternacht befasst, macht sich zunächst einmal ein Bild von den örtlichen Gegebenheiten.

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Köln. Der Wind pfeift über den großen Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof. Unwirtlich ist es Montagmittag um zwölf Uhr. Vor dem Haupteingang haben sich zwölf Landtagsabgeordnete versammelt, auf die nun die mehrfache Zahl von Journalisten mit Kameras und Mikrofonen an Teleskopstäben zustrebt: Die erste „Sitzung“ des Untersuchungsausschusses „Silvesternacht 2015“ ist ein Spaziergang.

Es geht um eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten, die in der Silvesternacht weltweit zu unrühmlicher Berühmtheit gelangten. Damals war es trotz Anwesenheit der Polizei zu massenhaften Straftaten gekommen. Hunderte Frauen wurden von Männergruppen — laut Zeugen vor allem nordafrikanischer oder arabischer Herkunft — umzingelt, sexuell bedrängt, bestohlen. Die Vorfälle hatten eine bundesweite Debatte über ein Versagen der Behörden und die künftige Flüchtlingspolitik ausgelöst. Und nun diese bizarr wirkende Veranstaltung, die der Ausschussvorsitzende Peter Biesenbach (CDU) mit den Worten einleitet: „Wir werden jetzt den Dom umkreisen, das ist aber weniger als Prozession gedacht, sondern vielmehr dazu, uns ortskundig zu machen.“

Der Tross setzt sich in Bewegung, zunächst geht es in Richtung der großen Treppe vor dem Dom, auf der sich in der Silvesternacht die aggressive Stimmung aufbaute. Die Treppe, von der auch Feuerwerkskörper in die Menge geworfen wurden, bevor das Geschehen weiter eskalierte. Jetzt sind hier nur wenige Menschen, die Gruppe aus Düsseldorf bestimmt das Bild. Die Abgeordneten lassen sich die Lage vom Leitenden Polizeidirektor Georg Schulz erklären. Der ist zwar ortskundig, kommt aber aus Düsseldorf.

Warum keiner aus Köln? Biesenbach erklärt das so: „Die, die am Abend Dienst hatten, kommen im weiteren Verlauf der Ausschusssitzungen als Zeugen in Frage. Wenn wir heute einen von diesen Polizeibeamten gefragt hätten, er solle uns mal ein bisschen was erzählen, dann wäre er als Zeuge verbrannt.“ Und so führt der Düsseldorfer Kollege nun den Ausschussvorsitzenden in seinem blau-gelben Anorak und dessen Politikerkollegen zunächst zu einem Stadtplan, um daran die Örtlichkeiten zu erklären. Dann zieht der Pulk weiter. Auf die Domplatte und um den Dom herum. Ein südamerikanischer Flötenspieler liefert die Begleitmusik für diese seltsame Prozession, die dann weiter in Richtung Rhein und Hohenzollernbrücke geht. Immer wieder gibt es kleine Stopps, zuletzt auf dem Breslauer Platz. Polizist Schulz gibt diese und jene Erklärung. Der Weg führt durch eine Unterführung, es riecht übel.

Und dann sieht es zunächst so aus, als gäbe es eine zweite Runde. Alle wieder rauf auf die Treppe, die Politiker stellen sich auf — ein schönes Gruppenfoto — und fragen den Polizisten noch dies und das. „Wo ist Angela Merkel?“ ruft ein vorlauter Junge unter Verkennung der Zuständigkeiten.

Am Ende geht es noch zur fünf Minuten entfernten Polizeiwache, die in der Silvesternacht so überlastet war, dass die Anzeigen geschockter Opfer nicht aufgenommen werden konnten.

Warum das Ganze, war das gar eine Showveranstaltung? Biesenbach findet das ganz und gar nicht. Für ihn ist es wichtig, dass die Abgeordneten, die in den kommenden zwölf Monaten zahlreiche Zeugen vernehmen, sich mit den Örtlichkeiten auskennen. „Klar bekommt noch jeder einen Stadtplan, aber es ist doch etwas ganz anderes für die Kollegen, die aus ganz NRW kommen, sich vor Ort ein Bild machen zu können. Wie die Gegebenheiten sind, die die Polizei bei der Einsatzplanung im Auge haben muss, all die verwinkelten Ecken, die es hier gibt.“ Er selbst sei ortskundig, er habe in Köln studiert.

Welche Erkenntnis hat die Begehung ihm selbst gebracht? Biesenbach denkt kurz nach und sagt dann nur: „Das Gesetz verbietet Wertungen vor Abschluss der Untersuchungen. Wir haben ein Jahr Arbeit vor uns.“ Diese Arbeit, so betont er, habe man „mit hoher Drehzahl“ begonnen. Was ist für Biesenbach das Ziel des Ausschusses? „Wir wollen klären, wie es zu den Geschehnissen kommen konnte. Warum gab es keinen Schutz für die Opfer, was muss getan werden, damit sich das künftig nicht in Köln und in anderen Städten wiederholt? Und wir wollen dem Eindruck widersprechen, dass der Staat nicht in der Lage sei, Frauen auch nachts schützen zu können.“