Korruptionsverdacht: Fast 1000 Verfahren gegen Ärzte
Berlin (dpa) - Die Ärztekammern in Deutschland haben in den vergangenen Jahren fast 1000 Ermittlungsverfahren gegen Mediziner wegen Korruptionsverdachts eingeleitet. Das sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, dem „Spiegel“.
„Wir kommen da auf 480 Ratiopharm-Fälle und fast 450 weitere Fälle“, sagte Montgomery. Die Firma Ratiopharm soll jahrelang Ärzten Geld dafür bezahlt haben, dass sie den Patienten bevorzugt ihre Präparate verordnen.
„Berufsrechtlich sind solche Zahlungen jedenfalls klar verboten“, sagt Montgomery. Die Ärztekammern hätten 163 Ratiopharm-Ärzte bestraft, nachdem die Staatsanwaltschaften ihnen Akten zur Verfügung gestellt hatten. Von dem Pharma-Unternehmen war dazu am Sonntag zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Montgomery forderte mehr Ermittlungsrechte für die Ärzte für solche Fälle. „Ich wäre sehr dafür, dass wir eine polizeiähnliche Funktion bekämen, damit wir sehr früh schon selbst durchsuchen und Akten beschlagnahmen können.“ Montgomery sprach sich gegen ein Spezialgesetz nur für Ärzte aus. Aber: „Gegen einen generellen Straftatbestand für Freiberufler hätten wir nichts.“
Der Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte vor wenigen Monaten entschieden, dass sich Ärzte, die Schmiergelder annehmen, nicht strafbar machen. Seither haben laut „Spiegel“ bundesweit Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wieder eingestellt. Deshalb könnten die Ärztekammern künftig auch kaum mehr auf Akten von Staatsanwaltschaften hoffen, um gegen diese Ärzte berufsrechtlich vorgehen zu können.
Im „Deutschen Ärzteblatt“ erläuterte Montgomery: „Unser Kernproblem ist, dass wir kein Recht haben, uns Zutritt zu Akten, zu Wohnungen oder Praxen zu verschaffen. Dazu braucht es eine Änderung des Rechts.“ Denkbar seien gemeinsame Arbeitsgruppen von Ärzten aus den Ärztekammern und Staatsanwaltschaften, deren medizinische und juristische Expertise sich perfekt ergänzten. „Dann könnte man meines Erachtens sehr viel schneller zu guten Ermittlungsergebnissen kommen.“
Montgomery kritisierte im „Spiegel“ aber auch die gegenwärtige Debatte als populistisch. Derzeit stehe schon der Kugelschreiber, den ein Arzt geschenkt bekomme, im Ruch der Korruption. „Diese dauernde Korruptionsdebatte ist ein Stachel in unserem Fleisch, das beschädigt das Renommee meines Berufes und zwar massiv“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer.