Krankenkassen sitzen auf Milliarden
Bundesfinanzminister Schäuble schielt auf das überschüssige Geld in der gesetzlichen Krankenversicherung. Wem steht es zu?
Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen horten noch mehr Geld als erwartet. Die Zahlen des vierten Quartals 2011 bestätigen den Trend der ersten Quartale.
Sowohl die Kassen mit mehr als 3,9 Milliarden Euro Überschuss als auch deren Geldsammelstelle, der Gesundheitsfonds, verfügen nun über Rücklagen in Milliardenhöhe. Grund sind gesunkenen Ausgaben und die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, die zu mehr Beitragszahlern führt.
Doch was soll mit dem Geld geschehen? Soll es bei den Krankenkassen als Puffer für schlechtere Zeiten verbleiben? Oder soll es in irgendeiner Form ausgeschüttet werden?
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr Bahr (FDP) dringt darauf, die Kassen sollten eine Prämienausschüttung an ihre Mitglieder prüfen.
Der starke Mann der Unionsfraktion in Sachen Gesundheitspolitik, Jens Spahn (CDU), sekundiert, gut dastehende Kassen wie Techniker Krankenkasse (TK), Barmer GEK, AOK Rheinland/Hamburg oder AOK Nordwest müssten sich in die Bücher gucken lassen. Zugunsten der Versicherten. „Denn es ist deren Geld.“
Und die Kassen? Sie mauern. „Diskussionen über mögliche Rücknahmen von Sparbemühungen und Gedankenspiele zur Verwendung der Kassenrücklagen verbieten sich“, sagt etwa der Sprecher der größten Kasse, der Barmer GEK.
So oder ähnlich klingt es auch bei anderen Versicherungen. Die Barmer GEK erwartete für 2011 zuletzt einen Überschuss von 300 Millionen Euro. Für die besonders erfolgreiche TK wurde der Überschuss in der Branche sogar auf mehr als 700 Millionen Euro taxiert.
Wollen die Kassen also auf einem Sack voll Geld sitzenbleiben, einfach weil sie es ohnehin bereits haben? Dass sie es zunächst mal für sich behalten, dafür plädieren nicht nur die Kassen selbst. „Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben öffnet sich“, mahnt etwa die gesundheitspolitische Expertin der Grünen, Birgitt Bender.
Um rund fünf Milliarden Euro könnten die Ausgaben der Kassen die Einnahmen bald wieder übersteigen. Deshalb mahnt sie im Einklang mit den Kassen: „Die Prämienausschüttungen von heute können die Zusatzbeiträge von morgen sein.“
Barmer-GEK-Chef Christoph Straub warnt schon länger, der Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen ihr Geld bekommen, könne die Ausgaben schon 2013 nicht mehr decken. Im Januar stiegen beim Kassenprimus die Arznei-Ausgaben schon wieder um mehr als sechs, die Zahl der Klinik-Behandlungen um fünf Prozent.
Während die Kassenmanager das Geld auf ihrer hohen Kante am besten aufgehoben wähnen, um demnächst Zusatzbeiträge zu vermeiden, drohen von anderer Seite Begehrlichkeiten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schielt längst auf einen Teil des Geldes.
Schließlich hat der Bund den Gesundheitsfonds 2011 mit mehr als 13 Milliarden Euro bezuschusst. Es wird darüber nachgedacht, den Zuschuss zu kürzen. Oder dass Geld in Milliardenhöhe aus der Reserve des Gesundheitsfonds in den Bundeshaushalt fließt.