Kritik am Kompromiss zum Doppelpass

Türkische Gemeinde hält die Regelung für zu kompliziert.

Foto: Daniel Bockwoldt

Berlin. Beim Thema Doppelpass lagen Union und SPD lange über Kreuz. Nun wurde ein Kompromiss gefunden. Doch keiner ist damit so recht zufrieden — die Betroffenen genauso wenig wie die eigenen Reihen.

Bislang gilt die 2000 eingeführte Optionspflicht, nach der man spätestens bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem seiner Eltern wählen muss. Nach dem neuen Konzept sollen sich Kinder, die seit der Geburt neben der deutschen Staatsangehörigkeit die ihrer ausländischen Eltern besitzen, künftig nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden müssen, wenn sie sich bei Vollendung ihres 21.

Lebensjahres schon mindestens acht Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben. Doppelstaatler kann auch bleiben, wer in Deutschland sechs Jahre lang zur Schule gegangen ist, oder über einen deutschen Schul- oder Ausbildungsabschluss verfügt. In der Praxis sind vor allem türkische Migranten davon betroffen. Mit rund drei Millionen Menschen bilden sie die größte Ausländergruppe in Deutschland. EU-Bürgern und Schweizern gesteht Deutschland schon heute zwei Pässe zu.

Nach Angaben des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) haben zuletzt nur 176 hier lebende Migranten, die 1990 geboren wurden, wegen der Optionspflicht ihren deutschen Pass verloren. Ob das immer bewusst geschah, lässt sich nicht feststellen. Denn auch wenn keine Erklärung abgegeben wird, erlischt die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch.

Für die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld ist die jetzt von Schwarz-Rot gefundene Lösung zwar im Prinzip ein Fortschritt. „Dennoch bleibt es bei einer komplizierten und halbherzigen Regelung.“ Denn für die seit vielen Jahren hier lebende erste Generation bringe dieser Kompromiss keine Lösung. Die Türkische Gemeinde zeigte sich ebenfalls enttäuscht.

Der Optionszwang falle nicht grundsätzlich weg, klagte ihr Vorsitzender, Kenan Kolat. Obendrein sei unklar, was mit jenen passiere, die bereits einen Pass hätten abgeben müssen. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, sieht bei den Altfällen noch „Diskussionsbedarf“, wie er gegenüber unserer Zeitung erklärte.