Inteview Kritik an geplanter Pflege-Ausbildung

Verbandschef Bernd Meurer bezweifelt, dass die Berufe durch die anstehende Reform attraktiver werden.

„Diese Reform wird sicher nicht zu einemMehr an Auszubildenden führen“: Pflege-Verbandschef Bernd Meurer.

Foto: Rainer Jensen

Berlin. Nach langem Streit haben sich Union und SPD darauf geeinigt, die bislang getrennten Ausbildungswege zum Alten-, Kranken- und Kinderpfleger in den ersten beiden Jahren zusammenzuführen. Die Azubis können aber selbst entscheiden, ob sie im dritten Lehrjahr einen generalistischen Abschluss für alle drei Berufe oder einen spezialisierten Abschluss für einen davon anstreben. Was bedeutet das für die Versorgungen der Pflegebedürftigen in den Altenheimen? Darüber sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem Präsidenten des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer:

Herr Meurer, Sie betreiben selbst drei Pflegheime in Bayern und Rheinland- Pfalz. Wird der Pflegeberuf künftig attraktiver, wie die Befürworter der Neuregelung sagen?

Bernd Meurer: Nein. Für die Auszubildenden und für die Ausbildungsbetriebe wird es komplizierter. Die Altenpflegeausbildung ist derzeit schon für die Mehrheit der jungen Menschen, aber auch zahlreiche Umschülerinnen und Umschüler die attraktivste unter den Pflegeberufen. Das beweisen die zweistelligen Zuwachsraten, währen die Ausbildungszahlen in der Krankenpflege rückläufig und absolut geringer sind.

Das heißt, Sie erwarten nicht mehr Interessenten für die Ergreifung des Pflegeberufs?

Meurer: Wäre die Generalistik allein gekommen, hätte es sicher weniger Hauptschülerinnen und Hauptschüler gegeben, die sich für den Beruf entschieden hätten. Jetzt haben wir zumindest noch die Chance, ihnen einen eigenständigen Abschluss zu ermöglichen. Diese Reform wird sicher nicht zu einem Mehr an Auszubildenden führen.

Viele Pflegheime stöhnen unter Personalmangel. Das liegt doch wohl auch an der schlechten Bezahlung der Pflegekräfte im Vergleich etwa zu denen in den Kliniken, oder?

Meurer: Zuerst einmal muss man sagen, dass die Altenpflege derzeit gerade einen Job- Boom erfährt. Allein im letzten Jahr gab es hier 100 000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs. Im Übrigen kämpft nicht nur die Altenpflege mit einem Fachkräftemangel, sondern zum Beispiel auch das Handwerk. Nur dort kommt niemand auf die Idee, unterschiedliche Ausbildungsberufe zu verschmelzen.

Lässt die geplante Reform eine Angleichung der Entlohnung erwarten?

Meurer: Wenn es nur so einfach wäre. Wie Sie wissen, refinanziert sich das Krankenhaus anders als ein Pflegeheim. Die Krankenversicherung ist eine Vollkaskoversicherung, die Pflegeversicherung eine Teilkaskoversicherung. Hier zahlen also die Pflegebedürftigen und die Städte und Kommunen über die Sozialhilfe mit. Höhere Bezahlung heißt, für die wird es teurer.

Bis zur Bundestagswahl am 24. September sind nur noch ein paar Monate Zeit. Gehen Sie davon aus, dass der Kompromiss noch rechtzeitig vom Parlament verabschiedet wird?

Meurer: Jetzt kommt es wirklich auf die Details an. Wie wird der Wechsel zwischen den Ausbildungsträgern im dritten Jahr organisiert, gibt es künftig noch eine einjährige Helferausbildung, wie ist der Praxisanteil geregelt? Und vieles mehr. Sich jetzt vom 24. September abhängig zu machen, bloß weil man sich unter Zeitdruck setzt, hielte ich für grob fahrlässig. Hier geht es um eine zentrale Zukunftsfrage unserer Gesellschaft, die löst man nicht im Schweinsgalopp.