Bericht "Kurswechsel" bei Rente kostet 40 Milliarden Euro
Die Bundesarbeitsministerium veröffentlicht Daten über die Lage der Ruheständler und das Rentenniveau.
Berlin. Das Bundesarbeitsministerium hat am Mittwoch zum Teil erstaunliche Daten über die Lage der Rentner im Land veröffentlicht. Zugleich wurden erste gesicherte Prognosen über die langfristige Entwicklung des Rentenniveaus bekannt. Offenbar will die Regierung damit die aufgeheizte Debatte zur Altersarmut versachlichen.
Für die Gewerkschaften steht das Top-Thema für die nächste Bundestagswahl schon fest. Ihnen geht es um einen "Kurswechsel in der Rentenpolitik", wie DGB-Chef Reiner Hoffmann kürzlich erklärte. Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte zuletzt von "Haltelinien" beim Rentenniveau gesprochen, um die durchschnittlich gezahlte Rente langfristig nicht immer weiter hinter dem jeweils aktuellen Durchschnittslohn hinterherhinken zu lassen. Ein Konzept dafür will Nahles im November präsentieren.
Am Mittwoch wurden dazu vorab ein paar Zahlen bekannt, die aufhorchen lassen. So verfügte ein Rentnerpaar 2015 über Gesamteinkünfte von durchschnittlich 2543 Euro netto im Monat. Ein alleinstehender Rentner kam im Schnitt auf 1614 Euro, eine alleinstehende Seniorin auf 1420 Euro. Auf staatliche Grundsicherung im Alter war nur jeder 33. Rentner (drei Prozent) angewiesen.
Öffentliche Darstellungen über die "Dramatik" der Altersarmut seien daher "nicht so ohne Weiteres gerechtfertigt", hieß es im Arbeitsministerium. Weniger erfreulich ist die Lage allerdings für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel die ehemaligen Selbständigen. Ihr Anteil bei den Beziehern von Grundsicherung im Alter liegt bei 17 Prozent. Damit sind sie unter den Bedürftigen überproportional vertreten.
Die Mehrheit der Beschäftigten, nämlich 57 Prozent, verfügt indes auch noch über eine betriebliche Altersvorsorge. Ihr Anteil ist aber leicht zurückgegangen. 2013 lag er noch bei 59 Prozent. Aktuell nutzen 17,7 Millionen Arbeitnehmer die so genannte Entgeltumwandlung. Zugleich wird die staatlich geförderte Riester-Rentner allen Unkenrufen zum Trotz vorrangig von Geringverdienern genutzt. Zwei Drittel der Förderberechtigten haben ein Jahresbruttoeinkommen von weniger als 30.000 Euro. Von den Beschäftigten, die brutto weniger als 1500 Euro im Monat verdienen, verfügen allerdings 47 Prozent über keinerlei zusätzliche Altersvorsorge.
Gerade diesen Menschen wäre mit einer Anhebung des Rentenniveaus, wie es die Gewerkschaften anstreben kaum geholfen. Stärker profitieren würden Besserverdiener. Um einen Ausgleich zwischen jüngeren Beitragszahlern und Rentnern zu schaffen, darf der Beitragssatz nach geltendem Recht bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen, während das Rentenniveau nicht unter 43 Prozent sinken darf. Erstmals wurden nun Prognosen des Arbeitsministeriums über die Entwicklung nach 2030 bekannt.
Ohne weitere Eingriffe würde das Sicherungsniveau demnach bis 2035 auf unter 43 Prozent fallen und 2045 nur noch bei 41,6 Prozent liegen. Gleichzeitig stiege der Beitrag von heute 18,7 Prozent auf über 22 Prozent im Jahr 2031 und bis 2045 auf 23,4 Prozent.
Würde man das Sicherungsniveau von jetzt 47,5 Prozent dagegen festschreiben, wie es DGB und Sozialverbände als "ersten Schritt" fordern, kämen auf die Beitragszahler ungleich höhere Belastungen zu: Der Beitragssatz würde dann schon 2028 die 22-Prozent-Marke überschreiten. Bis 2045 wären es 26,4 Prozent. Insgesamt entspricht das einer Mehrbelastung von jährlich 40 Milliarden Euro, wovon der Bund acht und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer jeweils 16 Milliarden Euro schultern müssten.
Im Arbeitsressort war deshalb von einem "Spannungsfeld" zwischen auskömmlichen Renten und den erheblichen Mehrkosten die Rede. Seine Auflösung ist einstweilen noch ein politisches Geheimnis.