Länder und Opposition klagen gegen Atomlaufzeiten

Berlin (dpa) - Zwei Monate gilt die von Schwarz-Gelb verfügte Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke schon: Jetzt machen SPD und Grüne Ernst und klagen vor dem Verfassungsgericht gegen den „Ausstieg aus dem Ausstieg“.

Doch bis zu einem Urteil wird es dauern.

Die SPD-regierten Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen reichten am Montag ihre Klageschrift in Karlsruhe ein. Auch Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei werden gegen die im Schnitt um zwölf Jahre verlängerten Laufzeiten für die 17 deutschen Kernkraftwerke klagen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte in Berlin: „Für uns ist der Ausstieg aus dem Ausstieg eindeutig verfassungswidrig.“ Bis zu einer Entscheidung der Karlsruher Richter könnten aber Jahre vergehen.

Die fünf Länder wehren sich dagegen, dass die Regierung das Laufzeitplus ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossen hatte, in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat. Länder mit Atommeilern sind für die Aufsicht und die Einhaltung von Sicherheitsauflagen zuständig. Mit den schwarz-gelben Atombeschlüssen würden den Länderbehörden zusätzliche Aufgaben aufgebürdet.

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) sagte: „Es geht uns um die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Länder. Diese hat die Bundesregierung wider besseres Wissen missachtet.“ Ihr nordrhein-westfälischer Amtskollege Johannes Remmel (Grüne) betonte: „Wir wollen ein deutliches Stopp-Signal setzen.“ Mit den längeren Laufzeiten werde die Marktmacht der Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW zementiert. Das behindere den Ausbau der Öko-Energie und führe zu höheren Strompreisen für Industrie und Verbraucher.

In den nächsten Tagen wollen auch die Fraktionen von SPD und Grünen im Bundestag ihre Klage in Karlsruhe einreichen. Sie sehen in den verlängerten Atom-Laufzeiten einen klaren Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Fraktionschefs Jürgen Trittin (Grüne) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigten sich zuversichtlich, dass die Opposition Recht bekommen werde.

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi kündigte an, Abgeordnete seiner Partei würden die Klage unterstützen. „Es war eine gigantische Fehlentscheidung von CDU/CSU und FDP, den Kompromiss bei der Atomenergie aufzukündigen.“

Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte, bis zu einer Entscheidung der Karlsruher Richter werde es wohl zwei bis drei Jahre dauern. Zuvor hatten bereits die Umweltschützer von Greenpeace Verfassungsbeschwerde gegen das Laufzeitplus eingelegt.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die Nicht-Einschaltung des Bundesrates sei seinerzeit von Schwarz-Gelb intensiv juristisch geprüft worden: „Und das steht auch heute noch.“

Die FDP räumt den Atomgegnern wenig Chancen in Karlsruhe ein. Generalsekretär Christian Lindner verwies darauf, dass die rot-grünen Beschlüsse zum Ausstieg aus der Atomenergie damals ebenfalls ohne den Bundesrat zustande gekommen seien. Die SPD-Länder schätzen ihre Erfolgsaussichten dagegen auf über 50 Prozent ein.

Die längeren Laufzeiten gehören zum neuen Energiekonzept der Regierung. Union und FDP haben damit den Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün aus dem Jahr 2000 rückgängig gemacht. Die sieben bis 1980 ans Netz gegangenen Meiler bekamen zusätzlich 8 Jahre Laufzeit, die zehn übrigen 14 Jahre mehr.

In der Praxis könnten einzelne AKW aber deutlich länger am Netz bleiben - je nach Drosselung, Stillstand und Übertragung von Reststrommengen. Damit könnte es fast bis zum Jahr 2040 Atomstrom in Deutschland geben. Im Gegenzug kassiert der Bund von den vier Atomkonzernen mit der neuen Kernbrennstoffsteuer und einen Fonds zum Ausbau der Öko-Energie Milliardenbeträge.