Meinung Die Land- und Forstwirtschaft ist Verursacher und Opfer des Klimawandels zugleich
Meinung | Berlin · Auch in der Agrar- und Forstwirtschaft muss sich etwas ändern, politische Ansätze sollte es geben, denn der Sektor leidet selber unter dem Klimawandel. Sonst bleibt nur leugnen wie Bolsonaro oder Tönnies.
Der Sonderbericht des Weltklimarats über die Wechselwirkung zwischen Landnutzung und Klimaveränderung kommt in Deutschland gerade zur richtigen Zeit. Denn im Herbst steht ein Klimaschutzgesetz für alle Bereiche an, und da hat neben dem Verkehr vor allem die Agrar- und Forstwirtschaft noch riesigen Nachholbedarf.
Bisher tut dieser Sektor so, als ginge ihn das ganze Thema nichts an. Unter anderem mit dem Hinweis, dass sein Beitrag zum CO2-Ausstoß hierzulande unter zehn Prozent liege. Verdienst des Weltklimarates ist, dass er auf die globalen Zusammenhänge hinweist und die lokalen Akteure so einfach nicht entkommen lässt. Beispiel: Um CO2 aufzufangen, müssten massenhaft Bäume gepflanzt werden. Doch das Gegenteil geschieht weltweit und verstärkt den Klimawandel noch. Es wird hemmungslos abgeholzt, etwa am Amazonas oder auf Borneo Und zwar für den Sojaanbau und die Viehzucht. Also auch für das Kraftfutter, mit dem hierzulande Schweine und Hähnchen gepäppelt werden. Die dann wiederum als billige Massenware den afrikanischen Markt überschwemmen und dort die Kleinbauern kaputt machen. Außerdem: Für den Verlust von Tier- und Pflanzenarten tragen Land- und Forstwirtschaft mit ihren Monokulturen und Pestiziden ohnehin die Hauptverantwortung.
Eine politische Chance liegt daran, dass dieser Sektor nicht nur Verursacher, sondern auch Opfer der Entwicklung ist. Die Bauern und Waldbesitzer leiden zuerst unter den Folgen des Klimawandels und des Artensterbens. Auch schon in Deutschland, wie die Dürreschäden und Waldbrände zeigen. Prinzipiell dürfte es also eine Bereitschaft für Veränderungen geben, größer als im Verkehrsbereich, an die die Politik anknüpfen kann. Zumal die Leute auch gesund essen wollen. Freilich muss die Rechnung für die Erzeuger stimmen. Und auch für die Verbraucher.
Vordringliches Ziel muss es sein, den Fleischkonsum und den Düngemitteleinsatz zu verringern und den Landschaftsverbrauch zu begrenzen. Höhere Steuern auf Fleisch werden wenig ändern und sind zudem sozial bedenklich. Wirksamer ist eine Mischung aus Anreizen und staatlichen Vorgaben. Also die deutlich verstärkte Förderung von nachhaltiger Agrarproduktion und regionaler Vermarktung auf der einen Seite. Und harte Beschränkungen für den Einsatz von Dünger und Giften auf der anderen. Das umweltfreundliche Produkt muss billiger, dass umweltfeindliche teurer werden. Außerdem muss es eine Beschränkung des Landschaftsverbrauchs geben, sowohl für die Landwirtschaft als auch für die ausufernden Industriegebiete und Städte.
Freilich, es gibt noch eine ganz andere Alternative: Den Klimawandel einfach leugnen und so wie Bolsonaro in Brasilien erst recht Wälder vernichten. Oder, so wie Fleischfabrikant Tönnies, auf die Afrikaner zeigen. Die großen Profiteure der Agrarindustrie werden ihre ganze Lobbymacht aufbieten, um Veränderungen zu verhindern. Im Herbst muss sich auch in Deutschland zeigen, ob sich eine Mehrheit der Vernunft gegen sie durchsetzen kann.