Landtagswahl: Auswege aus dem hessischen Wahldilemma

Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, eine große Koalition oder sogar eine Neuwahl?

Wiesbaden. Der hessische Wähler hat entschieden. Nun müssen der CDU-Vorsitzende Volker Bouffier, sein SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel und Grünen-Chef Tarek al-Wazir sehen, was sie mit diesem Votum machen. Aber auch die Linke hat ein Wörtchen mitzureden. Farbspiele gibt es viele, doch nicht alle sind gleich realistisch:

Schäfer-Gümbel als starker Mann der Hessen-SPD sieht politische Hindernisse, um ein Bündnis mit der Linkspartei zu wagen. Auch schreckt die Erinnerung an das Scheitern seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti aus dem Jahr 2008. Andererseits hat er sich formal nicht festgelegt. Politische Differenzen ließen sich beilegen. Noch fordert die Linkspartei, die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen stillzulegen. Das muss aber nicht so bleiben. Auch wachsender Unmut über eine geschäftsführende CDU/FDP-Regierung könnte den Linksschwenk beflügeln. Wahrscheinlichkeit für ein Bündnis: 50 Prozent.

In Hessen haben CDU und SPD bislang nur ein einziges Mal vor mehr als sechs Jahrzehnten zusammen regiert, tief ist heute die Kluft zwischen konservativen Christdemokraten und linken Genossen. Bouffier und Schäfer-Gümbel halten wenig voneinander. Anknüpfen könnten sie an Gemeinsamkeiten in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik. In der Schulpolitik sind CDU und SPD völlig konträr. Doch um einer stabilen Regierung willen könnten sie in den sauren Apfel beißen. Schub bekäme eine große Koalition in Hessen, wenn auch der Bund dieses Modell wählen würde. Wahrscheinlichkeit für ein Bündnis: 20 Prozent.

Noch am Wahlabend begannen einige Christdemokraten, sich ein Bündnis mit den Grünen schönzureden. Schließlich arbeite man in Frankfurt und anderen Kommunen gut zusammen. Die Basis werde mitziehen, wenn sonst die Oppositionsbank drohe. Die Spitzengrünen Tarek Al-Wazir und Angela Dorn schlossen ein Bündnis ebenfalls nicht aus. Für die Basis ist die konservative Hessen-Union aber ein Schreckgespenst. Auch Schwarz-Grün in Hessen würde ein Vorbild im Bund helfen. Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent.

Rechnerisch könnten in Hessen auch SPD, Grüne und FDP zusammengehen. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Liberalen und Grünen vergiftet, die Wahlkampf-Schmähung „Ökofaschisten“ ist nur der Gipfel gegenseitiger Beleidigungen. Schon vor der Wahl hatte sich FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn verbeten, dass SPD und Grüne ihn wegen einer „Ampel“ in die Ecke treiben. Die FDP hat auf einem Parteitag ausgeschlossen, mit einer anderen Partei als der CDU zu koalieren. Doch da die Führung der Liberalen wohl gehen muss, könnte auch dieser Beschluss wackeln. Wahrscheinlichkeit für ein Bündnis: fünf Prozent.

Wenn die Parteien es nicht schaffen, das Wählervotum in eine Regierung umzuformen, und wenn eine geschäftsführende Regierung an ihre Grenzen kommt, dann könnte die Frage an den Wähler zurückgegeben werden. Allerdings wäre ein erneuter Urnengang ein Risiko, am ehesten wohl für SPD und Grüne. Der Landtag muss seine Auflösung mit Mehrheit beschließen, die sich erst einmal finden muss. Wahrscheinlichkeit für ein Bündnis: zehn Prozent.