Wertedebatte im Wahlkampf Leitkultur? De Maizière bekommt Beistand von Unions-Kollegen

Berlin (dpa) - Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich mit seinen Thesen zur Leitkultur viel Häme eingehandelt - Politiker aus den eigenen Reihen springen ihm zunehmend zur Seite. Spitzenpolitiker von CDU und CSU nannten die Debatte überfällig und de Maizières Einwurf „goldrichtig“.

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Vom Koalitionspartner und aus der Opposition kam dagegen erneut viel Gegenwehr und Kritik. Aber auch in der eigenen Partei sind nicht alle von de Maizières Thesen überzeugt.

De Maizière hatte die Bundesbürger am Wochenende in der „Bild am Sonntag“ aufgerufen, sich selbstbewusst zu einer deutschen Leitkultur zu bekennen und sie vorzuleben. Der Innenminister nannte einen Katalog von zehn Punkten, der jenseits von Grundrechten und Grundgesetz nach seiner Meinung die Leitkultur ausmacht.

So seien für Deutschland Respekt und Toleranz wichtig. Zum Mehrheitsprinzip gehöre der Minderheitenschutz. Gewalt werde grundsätzlich nicht akzeptiert. Deutschland sei eine „offene Gesellschaft“. „Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka.“

Bei der politischen Konkurrenz kam de Maizières Beitrag nicht gut an. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, SPD-Vize Aydan Özoguz, wertete die Auflistung als „hilflose Benimmregeln“. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie: „Nur weil Wahlkampf ist, muss man nicht jeden Unsinn aus der staubigen Wahlkampfmottenkiste holen.“ Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die am 14. Mai eine Landtagswahl zu bestreiten hat, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die wichtigste Richtschnur für unser Zusammenleben ist und bleibt unsere Verfassung.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, es wundere ihn, dass ein „besonnener“ Minister wie de Maizière das Thema aufgegriffen habe. „Meiner Ansicht nach ist der Begriff 'deutsche Leitkultur' durch vergangene Diskussionen verbrannt.“

Die Linke-Politikerin Ulla Jelpke warf de Maizière vor, er spiele sich zum „identitären Glaubenskrieger“ auf und spalte die Gesellschaft. Das sei peinlich und abstoßend. Die FDP rief den Minister auf, statt „über Leitkultur zu fabulieren“ lieber ein Einwanderungsgesetz vorzulegen. Die AfD, die einer Leitkultur-Debatte eigentlich nicht abgeneigt ist, hielt dem Minister vor, das Thema für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen. Das sei schändlich.

Unions-Kollegen nahmen de Maizière dagegen in Schutz. CDU-Vize Thomas Strobl sagte der „Heilbronner Stimme“ (Dienstag): „Der Einwurf des Bundesinnenministers ist goldrichtig.“ CDU-Bundesvize Armin Laschet, der bei der NRW-Wahl als Spitzenkandidat für seine Partei antritt, sagte dem Radiosender Bayern 2: „Wir brauchen mehr als nur Gesetze. Wir brauchen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft bestimmte Prinzipien, die über das Grundgesetz hinausgehen.“

Auch die CSU verteidigte de Maizières Vorstoß - wenn auch nicht ohne kleine Spitzen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Rheinischen Post“ (Mittwoch): „Die Leitkultur ist in unserem bayerischen Integrationsgesetz längst verankert. Das ist notwendig für die kulturelle Identität im Land.“ Endlich finde diese Diskussion jetzt auch auf Bundesebene statt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der „Welt“ (Dienstag): „Wir brauchen aber nicht nur Worte, sondern auch eine klare Umsetzung: Wer sich als Zuwanderer nicht in Deutschland integrieren will, muss in letzter Konsequenz unser Land verlassen.“

De Maizière kann mit seinen Thesen allerdings auch in der Union nicht jeden begeistern. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sagte im Deutschlandfunk, er halte den Begriff Leitkultur für problematisch. Frühere Debatten zu diesem Thema hätten gezeigt, dass diese nicht wirklich zielführend seien.