Parteitag in Berlin Links oder Mitte? Grüne beschließen Bundestags-Wahlprogramm

Berlin (dpa) - Drei Monate vor der Bundestagswahl ringen die Grünen um ein geschlossenes Auftreten der Partei. Es gebe bei den Grünen die Neigung, Parteifreunden Niederlagen zuzufügen, sagte Spitzenkandidat Cem Özdemir zum Auftakt eines dreitägigen Programmparteitags in Berlin.

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Die Versammlung müsse aber in dem Bewusstsein ablaufen, dass es um etwas Größeres gehe. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und dieses Land mitzugestalten.“

Mit klaren Positionen zu Klimaschutz, Integration und Europa wollen die Grünen nach der Bundestagswahl im September mitregieren. Ziel ist ein zweistelliges Ergebnis und Platz drei hinter Union und SPD. Am Sonntag soll das Wahlprogramm verabschiedet werden.

Davon erhoffen sich die Grünen ein Aufbruchsignal und ein Ende der schlechten Umfragewerte. Außer mit der AfD wolle man keine Koalition ausschließen, sagte Özdemir. „Wenn alle alles ausschließen, bleibt am Ende nur die große Koalition.“ Und die solle abgelöst werden.

Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sagte, mit dem Themendreiklang Ökologie, Gerechtigkeit und Vielfalt zeigten die Grünen, „dass wir für das ganze Land denken und nicht nur für eine bestimmte Klientel“. In Umfragen liegen die Grünen derzeit bei sieben bis acht Prozent - also noch hinter dem als enttäuschend empfunden Wahlergebnis von 2013, als sie 8,4 Prozent holten.

Dass der Parteitag nicht ohne Konflikte zwischen dem linken Flügel und den Realos über die Bühne geht, wurde gleich zu Beginn klar. Die Nachfolgerin des „Alt-Grünen“ Hans-Christian Ströbele (78) gab dem Spitzenduo ordentlich Kontra. Eine Berliner Rentnerin habe ihr gesagt, die beiden Spitzenkandidaten erinnerten „weniger an Grüne als an Ortsverein-Vorsitzende der CDU“, erzählte Canan Bayram, die in Ströbeles bisherigem Wahlkreis Berlin-Kreuzberg kandidiert.

Viele Links-Grüne sind mit dem realpolitischen Kurs des von der Basis gewählten Spitzenduos Özdemir und Göring-Eckardt nicht zufrieden. „Lasst uns Grüne radikale Programme beschließen, damit wir die Menschen nicht im Stich lassen“, forderte Bayram. Zum Abschluss ihrer Rede teilte sie gegen den in der Partei umstrittenen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer aus, der ein Buch über Integration mit dem Titel „Wir können nicht allen helfen“ geschrieben hat. „Da sage ich ganz ehrlich - geht's noch? Einfach mal die Fresse halten.“ Teile des Saals reagierten mit Applaus und Jubel.

Der Chef der niederländischen Grünen, Jesse Klaver, rief seine deutschen Parteifreunde auf, zu ihren Idealen zu stehen. Bei den Wahlen im März in den Niederlanden hatte die Partei GroenLinks ihre Stimmen vervierfacht und war auf über neun Prozent gekommen. „Wir erleben das Ende der Ära der etablierten Parteien“, sagte der 31-Jährige. Das liege vor allem an der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die diese Parteien über Jahrzehnte verfolgt hätten. Aus dieser Konstellation entstünden Chancen für einen grünen Durchbruch mit der optimistischen Botschaft einer besseren Zukunft.