Linssen kommt der Debatte zuvor
CDU-Parteimitglieder sehen ihren Schatzmeister durch die Konto-Affäre zwar nicht juristisch, aber moralisch unter Druck.
Berlin/Düsseldorf. So richtig hatten CDU-Mitglieder ihren Schatzmeister Helmut Linssen nicht verstanden. Wieso ist er gottfroh darüber, mit einer Geldanlage im Ausland eine so teure Lösung gewählt zu haben, dass er mehr Kosten als Erträge hatte und keine Steuern zahlen musste, wie er der „FAZ“ sagte? Warum möchte jemand mehr Geld ausgeben als einnehmen und dafür dann in Deutschland keine Steuern zahlen? Eine befriedigende Antwort habe es nicht gegeben, hieß es gestern in Partei und Fraktion.
Linssen müsse sich bei der Vorstandsklausur heute und morgen in Erfurt erklären — deren eigentliches Thema die Europawahl im Mai ist — lautete eine Erwartung. Wie aufgeschreckt die CDU war, zeigte ein Hinweis, dass man ja auch gar nicht wisse, ob der 71-Jährige bei der Vorstandswahl Ende des Jahres wieder kandieren würde. Doch Linssen kam am Abend einer Debatte darüber zuvor, ob er noch im Amt bleiben könne. „Ich habe mich im Interesse der Partei und meiner Familie entschlossen, die Parteivorsitzende zu bitten, auf dem kommenden Parteitag im April einen neuen Schatzmeister zu wählen“, ließ er Partei und Öffentlichkeit wissen.
Der „Stern“ hat herausgefunden, dass Linssen, der den Posten des obersten Kassenwarts der CDU 2010 übernommen hatte, zwischen 1997 und 2004 über eine Bank in Luxemburg mehrere Hunderttausend Euro bei einer Briefkastenfirma auf den Bahamas und später in Panama eingezahlt und abgehoben hat. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde 2012 eingestellt.
Im aktuellen CDU-Programm steht: „Wichtigstes Ziel bleibt die Einnahme der Steuern — niemand darf sich entziehen. Wer es dennoch tut, muss die Folgen des Gesetzes zu spüren bekommen.“ Nun wird Linssen keine Steuerhinterziehung vorgeworfen. Unionsanhänger meinten aber vor seinem Rückzug, juristisch habe er zwar kein Problem, ob er aber moralisch unter Druck komme, werde die politische Debatte zeigen. Sie selbst wollten sich nichtöffentlich äußern, um diese Debatte nicht zusätzlich anzuheizen.
Im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in der Hauptstadt Berlin, wurde schon befürchtet, dass die Personalie Linssen eine andere in Erfurt überlagern würde: die Ernennung des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister zum Spitzenkandidaten der CDU für die Europawahl. Die Tagung war wegen des Skiunfalls der Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang Januar verschoben worden. Nun soll sie mit McAllister und einem Beschluss des Europa-Programmentwurfs den Aufbruch in den Europa-Wahlkampf markieren.